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Architekten vor Gericht

■  Volksentscheid über Neubauten: Berliner ziehen schon mal Hasskappen auf. Adlon vorn

Meinungen über Neubauten der Stadt aus dem Munde so genannter Miljöh-Berliner sind grausam anzuhören. Bei Taxifahrten durch das Brandenburger Tor etwa bekommt man immer wieder geboten, das Beste sei, die Banken am Pariser Platz einfach abzureißen.

Architekturkritik müssen auch der Potsdamer Platz, die Friedrichstraße und neue Geschäfts- oder Wohnbauten in Mitte ertragen. „Sprengen“ lautet noch die harmloseste Version der Altberliner, die sich nach nostalgischen Stadtbildern sehnen. Nicht druckbar sind Äußerungen über das Jüdische Museum.

Damit der Protest mehr Raum erhält als den einer Taxikabine, hat die Gesellschaft Historisches Berlin e. V. zu einem Volksentscheid über „Das Neue Berlin“ aufgerufen. Das Wahlbüro in der Straße Unter den Linden 40 hat der Verein seit zwei Monaten ganz echt neben der gleichnamigen kleinen Ausstellung eingerichtet. Ebenso echt wird Votum gespielt mit 30 Kandidaten (Fotos, auf Pappwände gepinnt, etwa von Dussmanns Kulturkaufhaus, Adlon, debis oder Hofgarten-Quartier), hölzerner Wahlurne und großem Stimmzettel. „Wie gefällt Ihnen das neue Berlin? Stimmen Sie ab!“ steht darauf. Es folgen die Objekte, zu denen man „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ ankreuzen kann. „Bitte geben Sie Ihre Adresse an“, ist das Einzige, was nicht zum Wahlmodus passt. Sei's drum.

Natürlich gefällt das Neue nicht, und wenn doch, dann nur im Stil historisierender Fassaden. Über 1.000 Stimmzettel sind bisher ausgezählt worden. Über 86 Prozent finden das Hotel Adlon gut, sagt Annette Ahme, Chefin des Vereins, dahinter rangieren das Dompalais und das Charlotten-Ensemble. Favoriten sind auch der Rossi-Block an der Schützenstraße (75 Prozent) und das Sat.1-Haus am Gendarmenmarkt (86 %).

Vernichtend dagegen fällt die Wahl für Glaspaläste und marmorne Steinburgen aus. Der schwarze Büroblock Friedrich- Ecke Leipziger Straße rangiert mit 13 Prozent Zustimmung ganz unten. Kaum mehr Freunde scheint es für die Galeries Lafayette (25 Prozent), das Bundespresseamt (22 Prozent) oder das neue Haus der Wirtschaftsverbände (17 Prozent) an der Breiten Straße zu geben.

Die Wahl, die eigentlich schon abgeschlossen sein sollte, hat Ahme bis zum 31. Dezember verlängert. „Adlon for President“ geht also weiter.

Gleich neben dem Schlitz der Wahlurne kann man die Begründungen zur Stimmabgabe lesen. Die Wähler haben regelrecht die Hasskappen aufgesetzt. Neubauten, schreibt ein Markus Kneiße ins Gästebuch, seien „schreckliche, nicht wieder gutzumachende Verbrechen an der deutschen Kultur“. Er fordert Konsequenzen für die „pervertierten Architekten“. „Alles abreißen“, schreibt Wolfgang U. aus Steglitz. Und schlimmer noch, meint ein Herr Zuber: „Die Initiatoren und Architekten des Akademie-Neubaus am Pariser Platz sollte man vor Gericht stellen.“

Auch die Rettung vor der Moderne haben die Wähler parat. Ganz im Sinne der Gesellschaft Historisches Berlin kann nur der Wiederaufbau des Stadtschlosses helfen. „Ich bin für Stattschloss!!!“ Ja was denn nun?

Rolf Lautenschläger

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