: Nachkriegswohnungen frisiert
■ Baugenossenschaft lässt StudentInnen überlegen, wie ihre Billigbauten der 50er/60er Jahre aufgepeppt werden können
Christiane Knorre und Rose Scharnowski sind ein wenig masochistisch veranlagt. „Wir haben uns das Haus ausgesucht, weil wir uns sagten: Da wollen wir auf gar keinen Fall wohnen“, sagte Knorre. Doch das Leiden hat sich für die beiden HfBK-Studentinnen gelohnt. Die Baugenossenschaft Dennerstraße-Selbsthilfe (BDS) zeichnete sie gestern mit einem ersten Preis aus. Kernfrage des Ideen-Wettbewerbs: Wie lassen sich die hingeklotzten Wohnblöcke der 50er und 60er Jahre auf die heutigen Bedürfnisse umschneidern?
Nach dem Krieg musste es schnell gehen. Jede zweite Wohnung in Hamburg war zerstört. Die HamburgerInnen hausten in Wellblechhütten, Kellern und auf Dachböden. In einem Kraftakt wurden während der 50er und 60er Jahre 381.000 Wohnungen aus dem Boden gestampft. Allein die BDS baute bis 1964 rund 2100 Wohnungen mit einer Durchschnittgröße von 60 Quadratmetern. Einfach und billig, aber eben so, dass sie der BDS heute Sorgen machen.
Denn der Markt hat sich verändert: Rund die Hälfte aller Hamburger Haushalte besteht aus Singles. Die Zahl der Alten wächst ebenso wie die Zahl derjenigen, die von zuhause aus arbeiten. Insbesondere den Vorstellungen heutiger MieterInnen von Komfort werden die alten Wohnungen oft nicht gerecht.
Wie Katrin Falck und Swantje Wichern für ihre Arbeit ermittelten, fehlen ihnen Balkon und Abstellraum, das Bad ist zu klein, Wände und Decken sind zu hellhörig. „Immobilien dürfen nicht immobil bleiben“, sagte deshalb Joachim Wege vom Verband der Norddeutschen Wohnungsunternehmen.
Wie das gehen könnte, zeigt der Vorschlag von Sven Promer und Michael Reinhardt. Sie rückten dem Block in der Bramfelder Drift zu Leibe, der ihre Kommilitoninnen so schockiert hatte: Aus dem „Setzkasten“ mit 40 Einzimmerwohnungen für Singles machten sie eine ausgewogene Mischung von Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, die insgesamt 75 Menschen samt Kindern eine Heimstatt bieten.
Hierzu stockten sie das Gebäude auf und verbanden Wohnungen in übereinander liegen Stockwerken zu Maisonettes. Bloß auf der mittleren Etage legten sie Wohnungen horizontal zusammen. Die Treppen innerhalb der Maisonettes machen zusätzliche Treppenhäuser überflüssig. Auf jeder zweiten Etage kann sogar der Laubengang zur Erschließung der Wohnungen aufgelöst werden. Die Jury bescheinigte dem Entwurf „passable Kosten“ und krönte ihn mit einem ersten Preis. Gernot Knödler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen