Ende des Nischendaseins

EU und AKP-Staaten verhandeln über die Fortsetzung des Lomé-Abkommens: Harte WTO-Bedingungen oder weiter einseitige Zollpräferenz  ■   Aus Brüssel François Misser

Gerade erst ist das Treffen der Welthandelsorganisation WTO in Seattle vorbei, da geht es in Brüssel schon wieder um Zölle und Freihandel: Seit gestern verhandelt die Europäische Union (EU) mit den 71 Staaten aus dem afrikanischem, dem karibischen und dem pazifischen Raum ( AKP-Staaten) über die Zukunft des Lomé-Abkommens. Diese Konvention stammt aus dem Jahr 1975, ist bereits viermal verlängert worden und läuft im Februar nächsten Jahres aus. Sie räumt den AKP-Ländern, die ehemals Kolonien europäischer Staaten waren, einseitige Zollvorteile beim Handel mit der EU ein.

Erst Ende November hatten sich die AKP-Staaten in der Dominikanischen Republik getroffen, um über ihre Position beim WTO-Treffen in Seattle zu beraten. Die meisten afrikanischen Staats- und Regierungschefs zeigten sich der Welthandelsorganisation gegenüber skeptisch. Der Präsident von Madagaskar, Didier Ratsiraka, der für die 48 afrikanischen AKP-Staaten sprach, erhielt anhaltenden Beifall für seine Rede, in der er den Welthandel als eine „totalitäre Doktrin“ bezeichnete. „Wir sollten uns fragen: Was sind die Antworten der WTO auf Afrikas Widerstand gegen die Patentierung von Leben als Samen oder auch als Gene?“, rief Ratsiraka und zitierte den Satz des französischen Philosophen Lacordaire: „Zwischen den Starken und den Schwachen macht das Gesetz frei und die Freiheit unterdrückt.“

Bevor sie einer weiteren Öffnung ihrer Märkte zustimmen, so Ratsiraka, sollten die AKP-Staaten zunächst die Folgen der Uruguay-Runde kritisch beleuchten: Die Versprechen, die man den Entwicklungsländern bei dieser letzten WTO-Verhandlungsrunde 1994 gemacht habe, seien nicht erfüllt worden.

Ratsiraka sprach sich gegen den Druck der Europäischen Union aus, mit dem diese die AKP-Staaten dazu bewegen wollte, über ein WTO-kompatibles Freihandelsabkommen zu verhandeln. Eine solche Konvention würde das Ende der einseitigen Begünstigung der AKP-Staaten bedeuten, weil für alle WTO-Staaten die Meistbegünstigungklausel gilt: Was einem Mitglied erlaubt wird, muss für alle gelten; Sonderpräferenzen gibt es nicht.

Nach dem Willen der EU sollte dieses neue, WTO-kompatible Abkommen 2008 in Kraft treten – wenn die Lomé-IV-Konvention ausgelaufen ist. Die Europäer haben immer behauptet, die WTO würde ihnen eher eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung zugestehen – einen so genannten „waiver“ – , wenn sie ein solchesAbkommen mit den AKP-Staaten vorweisen könnten. Damit könnte die derzeit gültige Präferenzregelung für AKP-Exporte nach Europa während des Übergangs zum Freihandel weiter bestehen – eine Art Schonfrist.

Die EU sucht offensichtlich nach Ausreden, keine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung zu beantragen, bevor die AKP Staaten einer Liberalisierung ihres Handel verbindlich zugesagt haben. Miguel Rodriguez, stellvertretender WTO-Generaldirektor, wies bei dem Treffen in der Dominikanischen Republik darauf hin, dass die Euopäer bis jetzt noch nicht einmal um eine Verlängerung der derzeit geltenden Ausnahmeregelung gebeten hätten, obwohl die doch in zwei Monaten auslaufe.