CDU-Spitze prüft die Kassenbücher

■  Auf Sondersitzung soll Zwischenbericht zur Spendenaffäre vorliegen. Auch in Zürich werden Schwarzkonten vermutet. Schäuble und Merkel fordern Offenlegung von Kohl

Berlin (AP/dpa/rtr) – In der Affäre um illegale Parteispenden und rechtswidrige Schwarzkonten wollen sich Präsidium und Bundesvorstand der CDU heute auf einer Sondersitzung in Bonn um Schadensbegrenzung bemühen. Wie gestern ein Sprecher der CDU-Zentrale in Berlin erklärte, wird dem Parteivorstand, der sich erstmals seit Bekanntwerden der Affäre mit dem Thema befasst, eine Zwischenbilanz der Wirtschaftsprüfer Ernst und Young vorliegen, die mit der Analyse der Kassenbücher beauftragt wurden.

Auf der Sitzung soll nach dem Willen von Parteichef Wolfgang Schäuble auch der CDU-Ehrenvorsitzende und Altbundeskanzler Helmut Kohl, unter dessen Ägide das System schwarzer Parteikassen entstanden ist, Antworten auf noch offene Fragen geben. Auch CDU-Generalsekretärin Angela Merkel forderte Kohl auf, alle Details auf den Tisch zu legen. Sie sagte am Montag in den ARD-„Tagesthemen“: „Jetzt kommt es darauf an, ob Helmut Kohl mehr wusste, und dann kann man nur sagen, es wäre gut, er sagt es.“ Für die CDU stehe die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Am Montag wird sich in Berlin der CDU-Bundesausschuss mit der Affäre befassen. Diesem „kleinen Parteitag“ will Schäuble einen „fundierten Zwischenbericht“ vorlegen.

Nach einer Strafanzeige will die Staatsanwaltschaft Bonn in den nächsten Tagen entscheiden, ob sie gegen Kohl wegen Untreue ermitteln wird. Der Bonner Oberstaatsanwalt sagte, Kohls Erklärungen, er habe über Sonderkonten verfügt, könnten den Anfangsverdacht einer Straftat wegen Untreue begründen. Bei der Kieler Staatsanwaltschaft ging eine anonyme Strafanzeige ein, die sich auch gegen den Schleswig-Holsteiner Landesverband richtet.

Unterdessen belegt eine von der Berliner Zeitung B.Z. gestern veröffentlichte Forsa-Umfrage einen dramatischen Vertrauensverlust für Kohl: 85 Prozent der Bundesbürger geben an, „besonders viel Vertrauen“ in den Altkanzler verloren zu haben. Auch das Ansehen der neuen Parteiführung hat gelitten: Schäuble erlitt bei 54 Prozent einen schweren Vertrauensverlust.

Nach Ansicht des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Peter Hintze wird durch die Spendenaffäre die Lebensleistung des Altbundeskanzlers aber nicht in Zweifel gezogen. Zur Westdeutschen Zeitung sagte Hintze: „Das weiß auch die Partei.“ Er bezeichnete es als „anständig“, dass Kohl die politische Verantwortung für die Vorgänge um die schwarzen Konten übernommen habe. Auch CDU-Vorstandsmitglied Christoph Böhr warnte seine Partei vor Versuchen, sich vom Ehrenvorsitzenden abzugrenzen. Der Rheinischen Post sagte er: „Wir wissen doch alle, dass die Landesverbände auf den Knien gerutscht sind, um Geld zu bekommen. Ich weiß auch nicht, ob ich gefragt hätte, woher das Geld kommt, wenn ich von der Bundespartei eine Viertelmillion bekommen hätte.“

Keine Stellungnahme war gestern von der CDU zu Meldungen über angebliche Parteikonten in der Schweiz zu erhalten. Nach Berichten des ARD-Magazins „Report“ von Montagabend und der Süddeutschen Zeitung von gestern soll die CDU beim Züricher Bankhaus Vontobel Geld angelegt haben. Der SZ ist nach eigenen Angaben eine Zahlung von einem Schweizer Konto von über einer halben Million Mark bekannt, die laut Beleg auf Anweisung Kohls erfolgt sein soll. Die Spur in die Schweiz war bei einer Durchsuchung des Büros des CDU-Steuerberaters Horst Weyrauch entdeckt worden. Weyrauch hatte bei seiner Vernehmung angegeben, mehrfach im Auftrag der CDU Bonn und der CDU Hessen in der Schweiz gewesen zu sein, sich an den genauen Grund der Reisen aber nicht mehr erinnern zu können. Derweil hat die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Chefredakteur der Bild-Zeitung ein Ermittlungsverfahren wegen der Veröffentlichung von Weyrauchs Vernehmungsprotokoll eingeleitet.