: Schweres Erbe für schwere Bauten
Best of Weltkultur: Die Welterbe-Liste der Unesco zählt vor allem Steine aus dem alten Europa. Jetzt auch die der Wartburg und der Museumsinsel in Berlin. In Zukunft sollen aber mehr Leistungen unseres Jahrhunderts gewürdigt werden ■ Von Martin Ebner
Welcher Mensch hält sich nicht für den Mittelpunkt der Weltgeschichte? Wenn schon nicht sich selbst, dann die Hütte seiner Vorfahren. Dumm ist nur: Der Rest der Welt interessiert sich nicht im Geringsten dafür. Deshalb muss man es ihm beibringen. Das Mindeste aber ist eine Gedenktafel – wie das bekannte Tübinger Beispiel „Hier kotzte Goethe“. Noch besser ist es, die Hütte zum Denkmal zu erklären. Am besten aber ist, das Denkmal in die Liste des Weltkulturerbes einzuschreiben. Weiter kann es ein Denkmal auf diesem Planeten nicht bringen.
Zuständig für die Weihe zum Welterbe ist die Unesco, also die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Erziehung und Wissenschaft. Die 156 Unterzeichnerstaaten der 1972 verabschiedeten Welterbe-Konvention können Kulturstätten und Naturlandschaften von „außergewöhnlichem universellem Wert“ benennen und dem Welterbe-Zentrum, das in Paris von Mounir Bouchenaki geleitet wird, zur Aufnahme in die Welterbe-Liste vorschlagen. Da es um Ruhm geht, versucht dort jeder Staat so viel wie nur irgend möglich unterzubringen.
Einmal im Jahr entscheiden die 21 Mitglieder des Welterbe-Komitees, die idealerweise alle Kontinente und Kulturkreise repräsentieren sollen, über Neuaufnahmen, so wie letzte Woche in Marrakesch, wo aus deutschen Landen die Wartburg, die Berliner Museumsinsel und eine beträchtliche Erweiterung der Potsdamer Kulturlandschaft auf die Best-of-Liste gesetzt wurden. Davor müssen die Vorschläge Rangeleien in diversen Diplomaten- und Expertengremien, die Furcht erregende Namen wie Icomos, IUCN oder Iccrom haben, überstehen. Das ist nicht einfach. Die deutsche Kultusministerkonferenz zum Beispiel war 1998 überzeugt, die Altstädte von Regensburg und Heidelberg, das Opernhaus in Bayreuth, das Chile-Haus in Hamburg und die Dresdner Elbfront, ach was, die gesamte Elblandschaft bis zur Mündung seien „universell wertvoll“. Dummerweise sah der Rest der Welt das etwas anders – bei der vorletzten Erweiterung wurde nur das „klassische Weimar“ aufgenommen.
Auf der Unesco-Liste des Welterbes stehen nun 630 herausragende Kultur- und Naturstätten in 118 Staaten. Über 450 davon gehören zum Kulturerbe, der Rest sind Natur- und „gemischte“ Denkmäler wie zum Beispiel der französische Weinbauort Saint-Emilion. Angeführt wird die Kulturparade von Italien, das es im Schnitt jedes Jahr auf zehn Neuernennungen bringt. Außer dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela gibt es in Europa kein grenzüberschreitendes Welterbe – das kommt davon, wenn man die Kultur den Nationalstaaten überlässt. Deutschland ist insgesamt nun mit 22 Denkmälern vertreten. Der Magdeburger Dom, angetreten als „die erste deutsche gotische Kathedrale“, ist bei dieser Runde nicht dazugekommen. Das war voraussehbar, da auf der letzten Sitzung des Welterbe-Komitee-Büros in Paris keine „hinreichenden Merkmale“ gesehen wurden.
Vielleicht geht es Magdeburg so wie Köln, das seinen Dom erst nach zehn Jahren als Welterbe anerkannt bekam. Vielleicht wird es Magdeburg aber auch nie so weit bringen – das Welterbe-Komitee hat nämlich langsam genug von Kirchen, Klöstern und Burgen. Die Länder außerhalb des Alten Kontinents wollen sich nicht mehr damit abfinden, dass nur europäische Steinbauten – derzeit rund 250 Objekte der Liste! – Denkmäler der Weltkultur sein sollen.
Außerdem wird gefordert, „Leistungen unseres Jahrhunderts“ – wie die bereits gewürdigten Eisenhütten von Völklingen oder Oscar Niemayers Hauptstadt Brasilia oder auch, ein etwas anderer Fall, die südafrikanische Gefängnisinsel Robben Island – verstärkt zu berücksichtigen.
Ob die Denkmäler selbst von ihrem Weltruhm etwas haben, ist fraglich. In Friedenszeiten bringt die Ernennung zum Kulturerbe nur selten mehr Geld für die Erhaltung, aber oft noch mehr Touristenhorden. Im Krieg erleichtern die weiß-blauen Schildchen, die Kulturgüter unter „besonderen Schutz“ stellen, den Soldaten das Zielen – auch wenn es 1993 der kroatischen Soldateska auch so klar war, dass die alte Brücke, der Stolz von Mostar, einen Volltreffer benötigte.
Immerhin kann der World Heritage Fund der Unesco jährlich vier Millionen US-Dollar dafür ausgeben, dass nicht nur Plastiktüten und radioaktiver Müll der Nachwelt überliefert werden.
Manchmal gibt es sogar gute Nachrichten: 1998 konnte das Welterbe-Komitee die Altstadt von Dubrovnik und die Salzmine im polnischen Wieliczka „wegen erfolgreicher Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen“ von der „Liste des gefährdeten Welterbes“ streichen. Auf der Roten Liste stehen jetzt 27 Objekte, etwa Angkor in Kambodscha oder Timbuktu in Mali, aber auch der Yellowstone-Nationalpark in den USA.
In Deutschland hoffen Denkmalschützer, dass die Welterbe-Liste Politiker und Geldgeber zu besonderen Anstrengungen motiviert, beispielsweise die Fossiliengrube Messel bei Darmstadt doch noch vor einem Ende als Mülldeponie bewahrt oder dem Schiller-Haus in Weimar zu einem neuen Dach verhilft. Für das einzige deutsche Bauwerk, das wirklich weltweit einzigartig war und die Anforderungen der Welterbe-Konvention zweifellos erfüllte, weil es „Ausdruck von Ideen und Überzeugungen mit universaler Bedeutung“ war, kommt jedoch jede Hilfe zu spät: Die Berliner Mauer wurde fast restlos beseitigt.
Die Filmreihe „Schätze der Welt“ des SWR gibt es als Real-Video-Format unter: www. schaetze-der-welt.de
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