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Schöne Bescherung für arme Familien

■ Kindergeldplan der Koalition steht im Vermittlungsausschuss auf der Kippe: Ab Januar gibt’s mehr Kindergeld. Doch eine Million Kinder, deren Eltern Sozialhilfe beziehen, müssen wohl verzichten

Berlin (taz) – Eine Million Kinder leben in Deutschland inzwischen von der Sozialhilfe. Ein Zustand, der im Armutsbericht der Regierung und von den Wohlfahrtsverbänden seit Jahren gegeißelt wird. Aber nach dem Willen der SPD besucht die „Stützekinder“ am Heiligen Abend nicht etwa der Weihnachtsmann, sondern Knecht Ruprecht: Die Kindergelderhöhung von 20 Mark sollen fast alle Kinder der Republik erhalten – nur nicht die von Sozialhilfeberechtigten. Das wird der Vermittlungsausschuss nach Informationen der taz heute mit Unterstützung der CDU als Empfehlung an Bundestag und Bundesrat weitergeben.

Monatelange Verhandlungen im Bundestag um diesen Punkt des Familienförderungsgesetzes würden damit Makulatur. Selbst Kanzler Schröder hatte es eine „vernünftige Forderung“ genannt, dass auch der an der Armutsgrenze aufwachsende Nachwuchs zum 1. Januar 2000 in den Genuss des 20-Mark-Aufschlags auf das Kindergeld kommt. Offiziell mochte sich gestern keiner der Beteiligten äußern – „um das Vermittlungsergebnis nicht zu gefährden“, so der Sprecher von Ortwin Runde (SPD), der Hamburgs Bürgermeister und Vorsitzender des Vermittlungsausschusses ist. Aber die Zeichen stehen schlecht für die Kinder in Sozialhilfe. In einer Vorabstimmung senkten 13 von 16 Bundesländern im Vermittlungsausschuss die Daumen. Und ob sich unter den 16 Bundestagsabgeordneten genug finden, um doch noch eine Mehrheit zu Stande zu bringen, ist fraglich.

Für die Sozialdemokraten dort hatte der starke Mann im Hintergrund, Bundesfinanzminister Hans Eichel, im Stern die Marschrichtung vorgegeben. In Wirklichkeit seien es die Sozialhilfeempfänger, so meinte der Sparkommissar, die schon jetzt am meisten profitierten, weil das Sozialamt für ihre Kinder mehr Geld ausbezahle. Was Eichel verschwieg: Die Kommunen profitieren durch die Hintertür von der Kindergelderhöhung. 200 Millionen Mark bringt ihnen das pro Jahr ein. Städte und Gemeinden ziehen das Kindergeld von den Ansprüchen der Sozialhilfeberechtigten mit Nachwuchs ab. Das ist im Sozialrecht so festgeschrieben und wird nach der Erhöhung des Kindergeldes für manche Familie im Osten absurde Folgen haben: Der Regelsatz für Kinder unter sieben Jahren liegt dort jetzt bei 261 Mark. Ziehen die Kommunen, wie vorgeschrieben, das erhöhte Kindergeld von 270 Mark davon ab, verlieren Stützefamilien“ 9 Mark pro Monat.

Der schärfste Gegner der Kindergelderhöhung für Sozialhilfeempfänger ist der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD). Er schlägt als Alternative vor, den Sozialhilfeberechtigten einen Kinderzuschlag von 200 Mark zu zahlen – unter der Voraussetzung, dass sie eine Arbeit annehmen. Ab April 2000 wird er dieses „Mainzer Modell“ in seinem Land testen. Christian Füller

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