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Domherr fährt weiter Karussell

Nach seinem umfassenden Geständnis wird Eberhard L. wegen Untreue und Bestechlichkeit wohl nur auf Bewährung bestraft  ■ Von Elke Spanner

Das Leben im Luxus endet doch nicht im Knast. Zwar prellte „Domherr“ Eberhard L. die Schausteller des Hamburger Jahrmarktes um über 300.000 Mark und baute von dem Geld statt Plakatwerbewänden Stallungen für seine Privatpferde. Vor dem Landgericht räumte er gestern aber alle Taten unumwunden ein – und bleibt damit frei.

Die Kammer hatte zugesagt, ihn wegen Bestechlichkeit und Untreue zu maximal zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Geldbuße zu verurteilen, wenn er gesteht, zwischen 1994 und 1997 in 129 Fällen Geld des „Vereins zur Förderung der Volksfeste und Jahrmärkte in Hamburg“ in seine eigene Tasche gebucht zu haben. Eberhard L., ehemaliger Leiter des Domreferates der Wirtschaftsbehörde und seit Bekanntwerden der Vorwürfe 1997 vom Dienst suspendiert, gesteht.

Angeklagt sind neben L. auch Ehefrau und Freundin. Die beiden werden von Kameraleuten und Fotografen über den Gerichtsflur gehetzt; die kargen Gänge haben plötzlich den Charme eines Großstadt-Boulevards, auf dem Filmstars vergeblich versuchen, inkog-nito ins Theater zu gelangen. Einzeln kommen die drei zur Verhandlung. Die Freundin ist erst im Gerichtssaal zu identifizieren, auf dem Weg dorthin wird ihr Gesicht zur oberen Hälfte von einem eleganten Hut, darunter von einer großflächigen Sonnenbrille verdeckt. Die Ehefrau hat eine schwarze Wollstola um den Kopf drapiert. L., der vor kurzem an der Hüfte operiert wurde, kommt auf Krücken ins Gericht gehinkt. Statt mit dem Taxi läßt er sich per Krankenwagen bringen. Mit seinem Gesundheitszustand soll später die Bewährungsstrafe begründet werden.

Die Anklageschrift liest sich wie der Auszug aus einem Roman, der das Leben der High Society beschreibt: Landsitz, eigene Pferde, Partys im Reitverein. Finanziert über kleinere Tausenderbeträge, die über die Jahre eine beachtliche Summe ergaben. 3000 Mark für angebliches Bühnenmaterial, 4000 für Pflasterarbeiten auf dem Heiligengeistfeld. Mal rechnete L. auch nur Fahrstuhlkosten im Fernsehturm ab, Höhe 36 Mark.

L. verfügte über Briefköpfe des „Vereins zur Förderung der Volksfeste und Jahrmärkte“, auf denen er Bestellungen für private Zwecke vornahm. Oft buchte er die benötigten Beträge auch direkt vom Vereinskonto ab. Ehefrau und Freundin, so die Anklage, hätten ihn unterstützt. Die Gattin gesteht, die Freundin leugnet.

Auch einzelne Schausteller sollen falsche Rechnungen ausgestellt haben. Mit den Summen sei L. dafür entschädigt worden, dass er in seiner Freizeit die Geschäfte des Vereins führte, behauptete sein Anwalt. Die Anklage hingegen geht davon aus, dass es Schmiergelder waren. Damit hätten sich die Schausteller dafür bedankt, dass L. ihnen bevorzugte Plätze auf dem Dom zugewiesen hatte.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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