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Abschiebepraxis auf dem Prüfstand

Erste Annäherung zwischen Ärztekammer und Polizeiärzten über Gutachten traumatisierter Flüchtlinge. Ärztekammer schlägt die Einrichtung einer Schiedsstelle vor

Im Streit um die Abschiebung traumatisierter Flüchtlinge zeichnet sich eine Annäherung zwischen der Ärztekammer und der Senatsinnenverwaltung ab. Ein erstes Treffen, an dem Vertreter aller beteiligten Einrichtungen teilnahmen, sei konstruktiv verlaufen, erklärte gestern der Präsident der Ärztekammer, Günther Jonitz.

Zwischen den Polizeiärzten und der Ärztekammer gab es in der Vergangenheit immer wieder Differenzen bei der fachlichen Bewertung psychiatrischer Erkrankungen und der Frage der Reisetauglichkeit von Abschiebehäftlingen. Dem polizeiärztlichen Dienst wurde vorgeworfen, dass traumatisierte Flüchtlinge zum Teil von unzureichend ausgebildeten Ärzten des Polizeidienstes untersucht worden seien. Bei der Bewertung posttraumatischer Belastungsstörungen seien Polizeipsychiater und das Zentrum für die Behandlung für Folteropfer zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.

An dem zweistündigen Gespräch, das bereits am 21. Dezember stattfand, hatten Vertreter des polizeiärztlichen Dienstes, der Innenverwaltung, der Ärztekammer, des Behandlungszentrums für Folteropfer sowie des Beirats für den Abschiebegewahrsam teilgenommen. Bei einem zweiten Gespräch, für das die Senatsinnenverwaltung noch grünes Licht geben muss, sollen die strittigen Fälle der Vergangenheit aufgearbeitet werden. Bei diesem Gespräch werde sich zeigen, wie weit man bei der Beurteilung tatsächlich auseinander liege, sagte Jonitz. Er regte an, sich auf ein generelles Verfahren zu verständigen.

Der Ärztekammerpräsident schlägt die Einrichtung einer Schiedsstelle vor, die künftig bei strittigen Fällen eingeschaltet werden soll. „Immer wenn der polizeiärztliche Dienst Probleme mit einem Gutachten hat oder anderer Auffassung ist, könnte die Schiedsstelle als gemeinsames Konsilium tätig werden“, so Jonitz. Denkbar sei auch, dass ein neutraler Gutachter eingesetzt werde.

Wie Jonitz erläuterte, hat die Senatsinnenverwaltung den Verdacht, dass einige wenige Ärzte Flüchtlingen ein Gefälligkeitsgutachten ausstellen, um so ihre Abschiebung abzuwenden. Es sei Aufgabe der Ärztekammer, auf solche Ärzte einzuwirken, sagte Jonitz, der sich gegen derartige Gutachten aussprach.

Über die gewaltsame Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern wurde nicht gesprochen, erklärte Jonitz. Die Ärztekammer hatte sich in der Vergangenheit mehrfach gegen die Mitwirkung von Ärzten an Abschiebungen ausgesprochen. Es verstoße gegen den hippokratischen Eid, die Betroffenen mit Beruhigungsspritzen oder Psychopharmaka ruhig zu stellen, um ihre Gegenwehr zu brechen.

Im Mai dieses Jahres war ein Sudanese bei seiner Abschiebung von Frankfurt nach Khartum wenige Minuten nach dem Start unter einem Motorradhelm erstickt. Ein Nigerianer starb 1994 während der Abschiebung, nachdem ihm eine Beruhigungsspritze verabreicht worden war. Für die Durchführung von Abschiebungen ist nicht die Polizei, sondern der Bundesgrenzschutz zuständig. win/epd

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