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Es ist kein Kraut gegen Kohl gewachsen

Die gebeutelte CDU geht in Klausur, es soll endlich wieder um „Sacharbeit“ gehen. Der angeschlagene Altkanzler und Ehrenvorsitzende ist nicht dabei – und doch allgegenwärtig

Norderstedt (dpa/AP) – Die CDU-Spitze ist gestern in Norderstedt bei Hamburg zu ihrer mit Spannung erwarteten Klausursitzung zusammengekommen. Unter der Leitung des Parteichefs Schäuble wollen Präsidium und Parteivorstand bis zum Samstagmittag unter anderem einen bildungspolitischen Leitantrag für den Essener Parteitag im April beschließen und das gemeinsame steuerpolitische Konzept mit der CSU absegnen.

Altkanzler Helmut Kohl, der mit dem gesetzwidrigen Umgang mit Parteispenden die CDU in erhebliche Turbulenzen gestürzt hat, hatte seine Teilnahme an der Norderstedter Klausur abgesagt. Den Schatten ihres Ehrenvorsitzenden werden die Christdemokraten dennoch nicht los.

Von nüchterner Sachpolitik hatte sich die im Spendensumpf steckende CDU kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ein wenig festen Boden unter den Füßen und endlich einmal keine Affärenschlagzeilen versprochen. Am liebsten hätten Schäuble und seine Generalsekretärin Angela Merkel im schmucken Schmöker-Hof vor den Toren der Hansestadt nur über Steuern, Bildung und andere Inhalte gesprochen. Doch daraus wurde nichts.

Beim Eintreffen der Spitzenpolitiker interessierte nur ein Thema: Kohl und seine schwarzen Kassen. Dabei sollte die Affäre allenfalls im allgemeinpolitischen Auftaktbericht Schäubles und in der anschließenden Aussprache eine Rolle spielen.

Unerwartet deutlich hatte sich Schäuble unmittelbar vor dem Vorstandstreffen hinter Merkel gestellt. Sie hatte eine Abnabelung der Partei von ihrem „Übervater“ Kohl und eine vorbehaltlose Aufklärung der Affäre verlangt – und war deswegen intern unter Beschuss geraten. „Auch wenn der Weg noch so bitter ist, er ist und bleibt alternativlos“, äußerte nun Schäuble. Es handle sich nicht nur um den Kurs der Generalsekretärin, sondern das sei „der Kurs des gesamten Präsidiums der Union“.

Dafür bekam Schäuble den Segen der Parteiführung. Demonstrativ stellten sich die Präsidiumsmitglieder hinter die Doppelspitze Schäuble/Merkel. Die beiden seien ein „hervorragendes Team, ihre Übereinstimmung ist gewaltig“, sagte Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff. Er und sein nordrhein-westfälischer Kollege Jürgen Rüttgers forderten die Partei auf zusammenzustehen. „Ich habe Sorge, dass zu viele Leute zu viel dummes Zeug erklären“, rüffelte Rüttgers, der im Mai die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf ablösen will.

Ein Scherbengericht über Kohl wolle man nicht halten, hatte es schon vor der Klausur geheißen. Vielmehr wolle man die Scherben aufsammeln und kitten. Doch offensichtlich wächst in der CDU der Ärger über die Standhaftigkeit, mit der der Ehrenvorsitzende den wiederholten Forderungen der Parteispitze widersteht, die von ihm geheim gehaltenen Spender zu nennen. Man können ihn nicht zwingen, die Namen preiszugeben, hieß es unisono in Norderstedt. Fast resigniert sagte Schäuble: „Ich weiß nix und kann's leider nicht aufklären.“

Ein alter Kohl-Widersacher, Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, sagte süffisant: „Kohl wird schon wissen, was richtig ist.“

Parteivize Volker Rühe brachte von seiner Stippvisite bei der Schwesterpartei CSU im oberbayerischen Wildbad Kreuth auch kein erlösendes Heilwässerchen gegen den Affären-Frust mit. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Norden am 27. Februar setzt weiter auf Offenheit und rasche Aufklärung, um dem Abwärtssog der Spendenaffären zu entkommen.

Ihre eigenen Konsequenzen aus der Affäre hat indes die Nord-CDU gezogen: Rühe verzichtet im Gegensatz zu Rüttgers auf weitere Wahlkampfauftritte des einstigen Zugpferds Kohl. „Die Ära Kohl ist zu Ende“, sagte Rühe.

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