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Grüne Partei bedient sich aus Fraktionsgeldern

Bundestagsabgeordnete haben Geld für ihre Amtsausstattung für die eigene Partei zweckentfremdet

Berlin (taz) – Der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Parteispendenaffäre war sich gestern sicher: Auch die Grünen haben eine „jahrelange illegale Spendenpraxis“ zu verantworten, sagte Andreas Schmidt. Denn schon seit 1993 habe jeder bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete 1.000 Mark aus seinen steuerfreien Aufwandsentschädigung an die Partei abführen müssen. Für Schmidt ist das angesichts der heftigen grünen Vorwürfe gegen Kohls schwarze Kassen „der Gipfel der Heuchelei“. Das Geld – insgesamt 3,5 Millionen Mark – müsste sofort zurückgezahlt werden, so Schmidt.

Tatsächlich hatte ein Parteitag 1993 in Aachen beschlossen, dass die Mandatsträger im Bundestag nicht nur aus ihren Diäten, sondern zusätzlich aus ihrer Amtsausstattung in Höhe von 6.459 Mark Beiträge an die Bundespartei abführen müssen. Die in aller Öffentlichkeit gefasste Entscheidung kollidiert nach Aussage des Parteienrechtlers Jörn Ipsen mit dem Parteigesetz. „Ein solcher Beschluss ist nichtig“, sagte Ipsen der taz.

Der gleichen Auffassung sind nun auch die Grünen. Der Beschluss ihres 93er Parteitags sei in „bescheuerter Art und Weise gefasst“, erklärte Reinhard Bütikofer – und fügte, ohne rot zu werden, hinzu: Glücklicherweise hat sich keiner daran gehalten! Die Abgeordneten hätten, so hieß es gestern, zwar 1.000 Mark monatlich an die Partei gespendet, dafür aber nicht Mittel ihrer Aufwandspauschale, sondern die normalen Diäten verwendet – was schwer beweisbar ist. Mit anderen Worten: Grüne Parlamentarier brachen angeblich nicht das Gesetz, sondern allein das Parteistatut. Und das soll nun geändert werden: „Der Wortlaut dieses Beschlusses ist nicht akzeptabel und wird den nächsten Parteitag nicht überstehen“, war sich Bütikofer sicher.

Der Osnabrücker Rechtsexperte Ipsen machte den Grünen auch Hoffnung, dass ihr peinlicher Lapsus keine rechtlichen Konsequenzen haben werde. Die Grünen müssten seiner Ansicht nach nichts zurückbezahlen. Immerhin beträgt die Gesamtsumme der an die Partei sukzessive abgeführten Abgeordnetengelder 3,5 Millionen Mark. Die CDU-Fraktion hatte jüngst zugegeben, 1,145 Millionen Mark an die Partei transferiert zu haben, und muss dieses Geld möglicherweise dreifach zurückbezahlen.

Bei den Grünen sei die Sachlage eine andere, sagte Ipsen. Die CDU habe gegen den Wortlaut des Parteiengesetzes verstoßen, wonach die Fraktion keine Spenden an die Partei überweisen darf. Die Grünen hätten als Einzelabgeordnete an ihre Partei bezahlt. Und eine präzise Verwendung dieser Amtsausstattung von Abgeordneten sei nicht festgeschrieben. cif/pat

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