piwik no script img

Widjluken mit Daggi

Friesisch ist kein scheuer Vogel und will auch nicht mehr im Schatten vegetieren  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ein kleines gallisches Dorf, nein, falscher Text: Ein plattes Land mit vielen kleinen friesischen Dörfern setzt sich zur Wehr. Gegen „hochdeutschen Assimilationsdruck“. Ihr Zaubertrank: Das Friesische. Ihre Feindin: Irene Fröhlich, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Kieler Landtag.

Die hat sich in einem Interview mit „Radio Friislon“ im Offenen Kanal kritisch zu der Forderung geäußert, es solle mehr Friesisch im öffentlichen und privaten Rundfunk geben. Sie sagte gar: „Ich glaube, das passt überhaupt nicht zusammen: Massenmedium und Minderheitensprache“. Und das „schockiert die Nordfriesen“ und ließ sie einen offenen Brief an die Politikerin schreiben.

Denn das Massenmedien und Minderheitensprache nicht zusammen passen sollen, finden die Mitglieder von „Ferian för en nuradfresk radioo“ so abwegig wie die Idee, Frauen und Karriere passten nicht zusammen, weshalb Frauen doch lieber auf die Volkshochschule gehen sollten. Oder so, als würde Fahrradfahren und Großstadt nicht zusammen passen. Friesisch die Karriere, Friesisch die Großstadt.

Denn, was viele vielleicht bisher gar nicht wussten: „Das Nordfriesische ist kein scheuer Vogel, der verschwindet, wenn Kameras und Mikrofone ihm nahe kommen - im Gegenteil“, heißt es in dem Brief. Eher stolzer Schwan? Oder gar kreisender Adler, der auf das Hochdeutsche niederstößt und es verschluckt? Egal, die Nordfriesen wollen für die etwa 10.000 Sprachfriesen, was die Sorben haben. Die wohnen in Brandenburg, und im dortigen Ostdeutschen Rundfunk ORB gibt es für sie täglich eine Stunde Hörfunk und im Monat eine Stunde Fernsehen.

Auch „die friesische Sprache hat Anspruch auf regelmäßige Sendungen im professionellen Rundfunk“, fordert Vereinsvorsitzender Wolfgang Möller. „Aber es ist natürlich am einfachsten, uns in den Offenen Kanal abzuschieben“, wo das „Friesische weiterhin unbemerkt im Schatten vegetieren würde“. Dort gibt es jetzt zweimal im Monat eine halbe Stunde „Radio Friislon“ und im NDR drei Minuten pro Woche. Das reicht nicht.

Friesisch ist, anders als Plattdeutsch, kein Dialekt, sondern eine Sprache. Es klingt wie ein Gemisch aus Dänisch, Niederländisch, Englisch und Deutsch soll sich endlich strecken, unter norddeutscher Sonne erblühen. Wäre es nicht schön, wenn Fernseher „Widjluker“ hießen. Wenn jeder sich entscheiden dürfte, ob er für „zur Toilette gehen“ lieber „sekret“, wie die Amrumer, oder „hok“, wie die Föhrer sagen möchte. Wenn es das Wort „Karriere“ nicht mehr gäbe, stattdessen nur die Umschreibung „wan hat wat wurd“? „Die Sprache ist fernab von jeder Hektik“, sagt Möller. Deshalb hat Friesisch weniger Worte als Hochdeutsch. „man muss vieles umschreiben“. Im äußersten Norden Deutschlands darf man vor Gericht auf Friesisch aussagen, in Kiel und Flensburg kann man es studieren, und Gymnasiasten können es als Wahlpflichtfach belegen.

Herr Möller hat recht, Frau Fröhlich ist doof. Man sollte sogar noch viel weiter gehen: Einmal die Woche die Tagesschau auf Friesisch. Mal auf Mooring, mal auf Frasch, Sölring, Fering, Öömrang oder Goosharder. Kriege umschrieben und gemütlich.

Vielleicht käme dann auch Dagmar Berghoff zurück aus der Rente. Und vielleicht würde Volker Rühe sie als Wahlschlacht-Wunderwaffe im Kampf für eine größere Schleswig-Holstein-Glaubwürdigkeit erkennen, und die beiden würden ihre Hamburger Jugendromanze neu auflegen. Ach wiar det net.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen