: Blumen von Friedhofsgärtnern für den Kanzler
Wenn sich die Erfüllungsgehilfen für Hinterbliebene zu ihrer Jahrestagung treffen, wird ordentlich Lobbyarbeit gemacht.Sowohl die Kommunen als auch die Bundesregierung bekamen in Berlin ihr Fett weg ■ Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova
Der Tod gehört für sie zum Leben. Trotzdem stehen die 8.000 Friedhofsgärtner, die deutschlandweit Gräber auf über 25.000 Friedhöfen betreuen, auf der dem Leben zugewandten Seite. Während auf einigen Friedhöfen Handyverbote gelten, klingelten die Apparate auf ihrer seit Montag in Berlin stattfindenden Bundesarbeitstagung, dass es nur so eine Freude war. Weil ein Versammlungssaal im „Hotel Berlin“ kein Gottesacker ist, störte sich kaum jemand an dem Gebimmel. Im Gegenteil. So hatten die etwa 200 anwesenden Friedhofsgärtner wenigstens etwas zu lachen.
Denn die Zunft sieht ihre Zukunft nicht gerade rosig. Der Bund der deutschen Friedhofsgärtner spricht von einer „beängstigenden Entwicklung in der traditionellen deutschen Friedhofskultur“. Was ist passiert? Immer mehr Deutsche lassen sich anonym bestatten und sind somit keine Auftraggeber für Dauerverträge zur Grabpflege; die Bestattungskosten steigen stetig an und die Toten werden weniger. Gab es vor fünf Jahren noch 900.000 Sterbefälle jährlich, sind es jetzt 50.000 weniger. Des Weiteren kritisiert der Verband eine „verfehlte Friedhofsplanung der Kommunen“ und „nicht nachvollziehbare Reglementierungen“.
Als wäre das alles noch nicht genug, macht den Friedhofsgärtner auch noch die Bundesregierung das Leben schwer. „Das Schlimmste ist die große Steuerreform“, sagte der Präsident des Zentralverbandes Gartenbau e.V., Karl Zwermann. „Es kann nicht sein, dass der kleine Mittelstand die Zeche zahlen muss. Das kann nicht die Zukunft unseres Volkes sein!“, rief er, und ein dicker Applaus war ihm sicher. Deshalb wird mit Spannung das für den 11. Februar mit Bundeskanzler Gerhard Schröder geplante Treffen erwartet. „Das ist drei Tage nach dem Valentinstag, und ich werde ihm einen Blumenstrauß mitbringen“, kündigte Zwermann an. Quasi durch die Blume will er dem Kanzler sagen, „wer wir sind“, und versprach gestern, sich „für die Interessen des bodenständigen Handwerks einzusetzen“.
Am meisten zu schaffen macht Hans-Jürgen Pluta, dem Präsidenten des Landesverbandes Gartenbau und Landwirtschaft Berlin-Brandenburg e.V., die Zunahme anonymer Bestattungen. In Berlin liegt deren Anteil bereits „zwischen 15 und 20 Prozent“. Ein weiteres Problem sieht er bei der Pflege von Ehrengräbern, zu der die Stadt verpflichtet ist. Oftmals würden dafür nicht qualifizierte ABM-Kräfte eingesetzt werden. So wurden die Ehrengräber der beiden Sozialdemokraten Willy Brandt und Ernst Reuter erst wieder fachmännisch auf Vordermann gebracht, nachdem er im Berliner Abgeordnetenhaus intervenierte. Und dann hat die Hauptstadt noch mit einer makabren Abwanderung ins benachbarte Brandenburg zu tun. Wusste man bisher nur vom Umzug Lebender, lassen immer mehr Berliner ihre Angehörigen in Brandenburg bestatten, weil es dort „30 bis 40 Prozent billiger ist“. Schon deshalb ist Pluta für eine Länderfusion.
Der Geschäftsführer des Zentralverbandes Gartenbau, Hans-Peter Otto, weiß von regionalen Kostenunterschieden von bis zu 50 Prozent. Weil man „nicht mit dem Prügel in den Sack hauen“ könne, sei es umso wichtiger, dass sich Friedhofsgärtner mehr in der Kommunalpolitik engagierten. Doch das sagt sich leicht. Denn Nachwuchs wird händeringend gesucht. Für viele sei allein der Begriff Friedhofsgärtner „eine Hemmschwelle“, so Otto. Zudem schickten die Arbeitsämter oft ungeeignete Kandidaten. Dabei gehört gar nicht so viel dazu. „Man muss lesen, rechnen und schreiben können – und arbeiten wollen“, zählt er die wesentlichen Voraussetzungen auf.
Zudem ärgert sich Otto auch noch über Politiker. Die Grünen würden beispielsweise versuchen, nur noch das Pflanzen einheimischer Gewächse auf Friedhöfen durchzusetzen. „Das hat nichts mit Bürgernähe zu tun“, schimpft Otto. Denn der Bürger, so weiß der Geschäftsführer, „der schweigt und leidet.“ Das tun die Friedhofsgärtner zum Glück nicht.
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