: „Russen verstoßen?“
Alvaro Gil-Robles über das Unvermögen des Europarates, den Kaukasus bald zu befrieden
taz: Wegen des Tschetschenienkrieges fordert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Russland aus dem Europarat auszuschließen. Wäre das ein probates Mittel?
Alvaro Gil-Robles: Im Europarat ist Russland gezwungen, zumindest einige Prinzipen zu respektieren. Und wir haben die Möglichkeit, mit Russland einen Dialog zu führen und vor Ort zu beobachten, was sich abspielt. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn Russland nicht im Europarat bliebe. Und was das Resultat für die Zivilbevölkerung in Tschetschenien wäre. Ob sich das positiv auf die Situation der Menschenrechte in Russland auswirken würde, da habe ich wirklich Zweifel.
Sie sagten, der Europarat könne Russland zwingen, einige Prinzipien zu respektieren. Wie?
Diese Möglichkeit gibt es über das Ministerkomitee und den Präsidenten der parlamentarischen Versammlung. Er hat sich klar gegenüber der russischen Führung geäußert. Ich habe in meinem Bericht über die Situation im Kaukasus zwei Punkte vorgeschlagen. Zwischen den Menschen, die heute in den Norden Tschetscheniens zurückkehren und den russischen Truppen gibt es keinen Vermittler. Die Menschen, die zurückkehren, haben Angst. Deshalb ist es wichtig, eine Person als Mediator zwischen diesen beiden Gruppen zu haben, mit Hilfe des Europarates in Form einer Expertengruppe. Diese Person kann sich vor Ort für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen. Die zweite Idee gilt der Zeit nach dem Krieg. Dann muss der Frieden gestaltet werden. Der Dialog zwischen Russen und Tschetschenen muss aufgenommen und der Region eine demokratische Perspektive eröffnet werden. Das heißt, ihre Autonomie zu respektieren und ein politisches Statut zu erarbeiten.
Wenn sich Straßburg jetzt nicht zu einer härteren Gangart entscheidet, läuft der Europarat dann nicht Gefahr, seinen Prinzipien untreu zu werden?
Was ist besser? Das Land verstoßen und sich damit jeder Einflussmöglichkeit berauben oder Härte zeigen? Diese Entscheidung müssen diejenigen treffen, die die politische Verantwortung tragen.
Der erste Tschetschenienkrieg war Grund, die Aufnahme Russlands in den Europarat zu vertagen. Jetzt herrscht wieder Krieg.
Dieser Krieg hat etwas andere Ursachen als der erste. Dieses Mal sind auch von tschetschenischer Seite schwere Verstöße vorgefallen. Die Verantwortung für diesen Krieg tragen zwei Seiten. Trotzdem muss der Konflikt so schnell wie möglich beendet werden, nicht zuletzt auf Grund der großen Leiden der Zivilbevölkerung.
Interview: Barbara Oertel
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