„Das ist ein totaler Rechtsruck“

■ Österreichs ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal über die Perspektiven einer ÖVP-FPÖ-Regierung und die Notwendigkeit für die Sozialdemokraten, als Opposition mehr Profil zu zeigen

taz: Viktor Klima meldet heute dem Bundespräsidenten offiziell sein Scheitern bei der Regierungsbildung. ÖVP und FPÖ sind mit ihren Gesprächen so weit fortgeschritten, dass wir mit einer schwarz-blauen Regierung rechnen müssen. Was erwarten Sie von dieser Entwicklung?

Johanna Dohnal: Das ist ein totaler Rechtsruck, der sehr schlimme Folgen haben wird. Die reaktionären Kräfte in der ÖVP und der SPÖ werden gestärkt. Bei den ersten Aussagen zur Verschärfung des Strafrechtes sieht man ja, wohin der Zug fährt. Da wird eine Klientel bedient, die Haider sich aufgebaut hat und die ÖVP auch.

Auch in der Sicherheitspolitik gibt es Übereinstimmung. Was heißt das für die Neutralität?

Da fehlte bisher eine klare Linie. Die SPÖ hat sich im Wahlkampf für ihre Beibehaltung ausgesprochen, aber jetzt sind ganz andere Weichen gestellt worden.

Der wahrscheinlichen Regierung fehlt aber die Zweidrittelmehrheit im Parlament, um den Marsch in die Nato anzutreten.

Das gilt für alle Gesetze, die Zweidrittelmehrheit brauchen. Ich hoffe auf die SPÖ, dass sie da mehr Konturen zeigt, sich positioniert und so was verhindert.

Ist abzusehen, dass sich die SPÖ in der Opposition stärker nach links profiliert?

Ich kann das nur hoffen, dass sie sich klarer positioniert, deutlich macht, wofür sie steht, und auch danach handelt. Ich hätte das schon in letzten Jahre erwartet und bin fest überzeugt, dass dann auch das Wahlergebnis ein anderes gewesen wäre. Mit einer erkennbaren Stellungnahme zu sozialen Fragen, zu einer emanzipatorischen Frauenpolitik, Menschenrechtsfragen, Ausländerfragen.

Ist es vorstellbar, dass die Ausländerpolitik nach Innenminister Schlögl noch restriktiver wird?

Es ist zu erwarten, dass die Maßnahmen in der Öffentlichkeit viel sanfter dargestellt werden, als sie wirklich sind. Was Haider will, wissen wir ja. Und das müsste eigentlich die ÖVP sehr erschrecken, weil sie ein eigenes Wählersegment total vor den Kopf stoßen würde, nämlich christliche und alle im humanen Bereich engagierten Leute. Haider hat kiloweise Kreide gefressen. Es wird aber nicht ausbleiben, dass die wahre Stimme wieder durchkommt.

Sie haben viel für die Frauenrechte getan. Geht es da jetzt zurück in die Siebzigerjahre?

Die Entsorgung einer emanzipatorischen Frauenpolitik ist ja schon passiert. Da gab es kein Bollwerk gegen die Angriffe, die die ÖVP und Haider betrieben haben, die Frauen wieder zu entmündigen. Nichts anderes steckt ja hinter der Debatte um den Kinderscheck und Karenzgeld (Mutterschaftsgeld; Anm. d. Red.) für alle. Es betrifft aber auch Maßnahmen wie die Arbeitslosenversicherung. Die SPÖ hat sich nicht deutlich gegenüber dem Koalitionspartner und Haider positioniert. Es wurde nicht diskutiert, was hinter der Ablehnung steht, sondern alles wurde abgeschmettert mit dem Argument, es sei zu teuer.

Sind in der Entwicklungspolitik einschneidende Veränderungen zu erwarten?

Alles, was an Projekten im demokratiepolitischen Bereich jetzt schon behindert wurde, wird wohl noch deutlicher gebremst werden.

Am 12. November haben 70.000 gegen Ausländerhetze demonstriert. Kann diese Bewegung eine Rolle spielen?

Ich hoffe, dass sie sich formiert. Im Übrigen auch die Frauenbewegung. Sie sollen sich in der Öffentlichkeit zeigen und klar machen, wir wollen das nicht. Man muss kreativ sein, Netzwerke schaffen und sofort Stellung beziehen. So eine außerparlamentarische Opposition sollte sich treffen mit einer SPÖ, die erkennt, dass sie ihre Wähler nicht verloren hat, weil sie zu sozialdemokratisch war.

Interview: Ralf Leonhard