: Die Label-Flut für Ökostrom
■ Inzwischen gibt es drei verschiedene Labels für Grünen Strom, die den Verbrauchern Sicherheit geben sollen.Das klappt jedoch nicht immer. In einem Fall wurde über Umwege sogar Atomstrom als „grün“ zertifiziert
„Der eine Strom ist grün, der andere Strom aber noch grüner, wie will man das noch vermitteln?“, schimpft Sven Teske von der Energie-Kampagne bei der Umweltorganisation Greenpeace, zuständig für die Qualitätskontrolle des eigenen Ökostrom-Angebots „Greenpeace energy“.
Zurzeit gibt es drei Verbände, die Ökostrom zertifizieren, künftig werden noch weitere Institute und Vereine dazustoßen. Schließlich gibt es auch Geld zu verdienen, je nach Zertifikat und Prüfinstitut schnell zehntausend Mark und mehr. Hinzu kommt, dass die Verbände oft nicht nur ein Label vergeben, sondern Abstufungen, beispielsweise in Ökostrom Güteklasse „regenerativ“ und „effektiv“ oder „Gold“ und „Silber“, vornehmen. „Wir haben schon Schwierigkeiten, zu erklären, warum Billigstrom schlecht ist“, erzählt Teske. Die sich anbahnende Label-Schwemme hält er für Unfug.
Zertifikate erteilen inzwischen die zahlreichen TÜV-Gesellschaften, der Grüner Strom Label e. V. und das Öko-Institut. Vereinzelt zertifiziert haben auch schon das Forschungszentrum Rossendorf, das Fraunhofer-Institut in Freiburg und der World Wide Fund for Nature, diese jedoch im Vergleich zu Erstgenannten ohne erkennbaren Ehrgeiz, ihr eigenes Zertifikat als wichtigstes Gütesiegel zu etablieren. Am interessantesten erscheint da noch der Ansatz des Umweltbundesamtes. Bis spätestens Mai sollen die Kriterien für die Vergabe eines Blauen Engels für Ökostrom feststehen. Teske hofft, dass der Blaue Engel dem Labelchaos ein Ende bereitet und sich mit der Zeit als verlässliches Gütesiegel durchsetzt.
TÜV-Zertifikat
Der TÜV oder besser die im Verband der Technischen Überwachungs-Vereine e. V. zusammengeschlossenen eigenständigen und unabhängigen TÜV-Gesellschaften haben bereits die ersten neun Unternehmen zertifiziert. Hierzu gehören die Stadtwerke Herne, aber auch die RWE Energie AG mit ihrem Umwelttarif. Zahlreiche Unternehmen befinden sich gerade im Zertifizierungsprozess und hausieren bereits mit dem zu erwartenden Zerifikat. Die Hoffnung auf einen positiven Prüfungsbescheid dürfte bei den meisten Antragstellern berechtigt sein. Denn der TÜV prüft lediglich, „ob die Kunden bekommen, was das Unternehmen verspricht“, so Wolfgang Wiesner vom TÜV Rheinland, der unter anderem auch die Stadtwerke Herne geprüft hat. „Auch Brunsbüttel ist TÜV-geprüft,“ gibt Cornelia Steinecke von Greenpeace energy zu bedenken. Zwar nach der Richtlinie für Atomkraftwerke und nicht nach der für Ökostrom-Anbieter, aber darauf muss der Verbraucher selber achten.
In der Vergaberichtlinie für ein TÜV-Zertifikat „Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien“ ist unter anderem festgelegt, welche Energieform als „erneuerbar“ gilt. Hierzu zählt neben Solar- und Windenergie auch Deponiegas, dessen Aufnahme Wiesner mit Klimaschutzgründen rechtfertigt. Fossile Energiequellen, auch wenn diese vergleichsweise umweltverträglich in Kraft-Wärme-gekoppelten Anlagen verstromt werden, zählen nicht dazu, anders als beispielsweise bei den Gütesiegeln des Öko-Instituts oder von Grüner Strom Label e. V. Als Besonderheit und im Unterschied zu allen anderen Zertifikaten bietet der TÜV ein Zertifikat für eine Vollversorgung und eine Teilversorgung an. Bei der Vollversorgung muss der Ökostrom zeitgleich bereitgestellt werden, bei der Teilversorgung reicht die Erzeugung der benötigten Energiemenge zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb Jahresfrist aus.
Öko-Institut-Gütesiegel
Im Auftrag der Bremer Energiekonsens GmbH – gegründet 1997 unter anderem von der PreussenElektra – hat das Öko-Institut e. V. ein zweistufiges Gütesiegel-Konzept entwickelt. Wichtiges Kriterium: Es sollen neue Anlagen gebaut werden. Als neu gilt jede Anlage, die „nach dem 31. Dezember 1997 in Betrieb gegangen ist“, wie es im Endbericht der Arbeitsgruppe definiert ist. Und um es noch komplizierter zu machen, gelten ältere Anlagen anteilig als neu, bei Inbetriebnahme im Jahr 1995 beispielsweise zu 25 Prozent. Ein besonderes Anliegen ist dem Öko-Institut die Vermeidung von „Lastverschiebungen“, das heißt, dass Mehrkosten aus dem Stromeinspeisungsgesetz nicht von der Allgemeinheit auf die freiwilligen Grünstrom-Kunden verlagert werden. Strom, der bereits über das Stromeinspeisungsgesetz finanziert wurde, darf beim Öko-Instituts-Siegel nicht noch ein zweites Mal als Ökostrom vermarktet werden. Beim TÜV wäre dies kein Problem. Dafür erlaubt das Öko-Institut die Nutzung von Erdgas und sogar Steinkohle zu Erzeugung von Ökostrom.
Das Gütesiegel kennzeichnet zwei Klassen von umweltschonenden Stromangeboten: Die Klasse „effektiv“ besteht zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien, der Rest stammt aus umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung. Die Klasse „regenerativ“ besteht zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Beiden Klassen ist gemein, dass mindestens 1 Prozent des Stroms aus Solarstromanlagen stammt. Als erster Anbieter haben Ende Dezember die Städtischen Werke AG, Kassel, das Gütesiegel der Produktklasse „regenerativ“ erhalten.
Grüner Strom Label
Wieder ein anderes Konzept verfolgt Grüner Strom Label e. V., ein von der Solarorganisation Eurosolar ins Leben gerufener Verein. Die Kriterien sind auf den ersten Blick ähnlich wie beim Öko-Institut. Strom aus Blockheizkraftwerken ist erlaubt, führt aber zu einem Siegel für nicht ganz so grünen Strom, genannt „Silbernes Label“. Wer Gold erhalten möchte, muss auf ausschließlich erneuerbare Energien zurückgreifen.
Wichtigster Unterschied zu den beiden vorgenannten Zertifizierungsstellen: Neben dem Produkt Ökostrom wird auch der Anbieter in die Prüfung mit einbezogen. Unternehmen, die mit Kohle und Atomstrom produzierenden Muttergesellschaften verbunden sind oder gar selbst derart umweltschädlichen Strom vermarkten, sind nach Auffassung des Vereins Grüner Strom Label keine glaubwürdigen Förderer der erneuerbaren Energien und sollten ursprünglich kein Siegel erhalten können. „Das Definitionsmerkmal „Produzent von Grünem Strom“ findet auf keinen Produzenten Anwendung, der Strom in Atomkraftwerke, Braunkohlekraftwerke oder fossile Kondensationskraftwerke liefert oder mit einem solchen Produzenten verflochten ist“, hieß es in den Definitionsmerkmalen vom April 1998. Im Dezember des gleichen Jahres wurde nur noch verlangt, dass „kein Anteilseigner [an einem Ökostrom-Anbieter], der über eine Sperrminorität verfügt, Atomkraftwerke betreiben darf“. Und wenn doch, soll er zumindest „seinen zeitlich konkretisierten Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben“.
Eine weitere Verwässerung der einst kompromisslosen Vergabekriterien gab es schließlich in der Fassung vom 27. Dezember letzten Jahres. Ursprünglich sollten nur Unternehmen zertifiziert werden, die „den Stromkunden die ausschließliche und zum Verbrauch zeitnahe Lieferung des Grünen Stroms garantieren“ können. In der aktuellen Fassung gibt es hierzu eine Ausnahmeregelung, von einem Ökostrom-Anbieter erbost als „Lex Naturstrom AG“ tituliert: „Der Kunde bezieht konventionellen Strom, leistet aber dem Anbieter regelmäßig Zahlungen, die dieser für die Finanzierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet.“ Die Naturstrom AG hätte ohne diese Erweiterung der Vergabekriterien das Label nicht bekommen, da sie aus Kostengründen auf eine zeitnahe Bilanzierung verzichtet. So jedoch haben die Düsseldorfer marketingwirksam Anfang Dezember als Erste das Grüner Strom Label erhalten können. Das zweite Label ist bereits für das Angebot energreen der ASEW reserviert, eines Zusammenschlusses von rund 200 Stadtwerken. Peinliche Panne: Energreen wird auch von den Stadtwerken Bielefeld vertrieben. Und diese sind Mitbetreiber der KWG Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde GmbH. Einziger Kommentar des Vorsitzenden des Zertifizierungsausschusses, Klaus Traube: „Das habe ich noch gar nicht gemerkt. Bitte machen Sie da keine große Geschichte draus.“
Anne Kreutzmann(siehe auch Interview auf der folgenden Seite 19 oben)
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