: In Europa droht Österreich die Isolation
Jörg Haider hat in Europa wenig Freunde: Die europäischen Regierungen warnen vor einer Koalitionsbeteiligung der FPÖ
Die erste EU-Reaktion auf die Entwicklung in Österreich kam aus Belgien. Am Donnerstag erschienen Abgeordnete in ungewöhnlicher Aufmachung im Parlament: Sie hatten sich gelbe Davidsterne ans Revers geheftet. Die seit Juni amtierende Ampelkoalition aus Konservativen, Grünen und Sozialdemokraten setzt sich derzeit dafür ein, mehrere tausend illegal im Land lebenden Ausländer mit gültigen Papieren zu versorgen. Sie reagierte schockiert auf die Aussicht, demnächst mit Ministern aus Jörg Haiders FPÖ in Brüssel am selben Ratstisch zu sitzen.
Gegenüber dem amtierenden portugiesischen Ratsvorsitzenden Antonio Guterres verlangte Belgiens Ministerpräsident Guy Verhofstadt eine „gemeinsame Reaktion“ der EU-Mitgliedsländer. Der Rat prüft derzeit die belgische Forderung nach einer Sondersitzung der EU-Außenminister. Diese Gelegenheit, um Wolfgang Schüssel, dem derzeitigen österreichischen Außenminister und möglichen Koalitionspartner Haiders ihre Meinung persönlich ins Gesicht zu sagen, würden mehrere EU-Mitglieder begrüßen.
Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac hat seine Kollegen bereits aufgefordert, Österreich im Rahmen einer gemeinsamen Aktion vor den Folgen einer Regierungsbildung mit den Rechtsextremen zu warnen. Und auch Bundeskanzler Schröder sagte, Österreich müsse darauf achten, sich politisch nicht selbst zu isolieren. EU-Agrarkommissar Franz Fischler, der Mitglied der Österreichischen Volkspartei ist, distanzierte sich schon am Donnerstag deutlich von den Plänen seines Parteifreundes Schüssel.
Auch die Präsidentin des Europaparlamentes, Nicole Fontaine, reagierte heftig auf die Politik der ÖVP, mit der sie im Europaparlament in einer gemeinsamen Fraktion, der Europäischen Volkspartei, an einem Strang ziehen sollte. Einige EVP-Abgeordnete reden bereits von Spaltung. Der französische Europaabgeordnete François Bayrou nannte die geplante Koalition von ÖVP und FPÖ „nicht hinnehmbar“.
Auch über Konsequenzen wird in Kommission und Parlament schon laut nachgedacht. Artikel 7 des Amsterdamer Vertrags legt die Spielregeln für einen solchen Fall fest: Der Rat – ohne Beteiligung des betroffenen Mitglieds – stellt einstimmig fest, dass in dem Land Menschenrechte und Demokratie schwerwiegend und anhaltend verletzt werden. Sind alle einig, kann das Stimmrecht des Landes im Rat ausgesetzt werden. Sollte es hart auf hart kommen, darf Österreich also in der EU nicht mehr mitreden. Daniela Weingärtner, Brüssel
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