: Gratis-Geburtstage für Johannes Rau
Rechnete Rau Feiern als Staatsempfänge ab? Schwanhold geht ins NRW-Kabinett. Steinbrück folgt Schleußer als Finanzminister
Düsseldorf (taz) – Johannes Rau hat sich in seiner Zeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen offenbar seine alljährlichen Geburtstagsfeiern am 16. Januar im heimatlichen Wuppertal von der Landesregierung finanzieren lassen. Ein Sprecher der Landesregierung habe bestätigt, die Feiern seien regelmäßig als „Jahresempfänge der Staatskanzlei“ abgerechnet worden, berichtet die Zeitung Die Woche. Den genauen Zeitraum und die dem Staatshaushalt angelasteten Summen habe er allerdings nicht nennen können. Bisher war nur bekannt, dass die Feier zu Raus 65. Geburtstag 1996 mit 150.000 Mark von der Westdeutschen Landesbank (WestLB) gesponsert worden war.
Auch seine Flugleidenschaft bringt Rau weiter in schwere Turbulenzen. Denn die bisherigen Beteuerungen des Bundespräsidenten, er sei nie ausschließlich privat mit der WestLB-Airlines geflogen, entsprechen nicht der Wahrheit. So jettete der eilige Johannes am 17. September 1994 zusammen mit WestLB-Chef Friedel Neuber nach Hamburg, um an zwei Parteiveranstaltungen und einer Fete seines Arztes teilzunehmen, wie Rau-Anwalt Gernot Lehr einräumen musste. Es habe sich jedoch um einen „Sowieso-Flug“ gehandelt, der nicht von der Landesregierung veranlasst worden sei. „Die WestLB hatte den Flug ohnehin gechartert“, so Lehr. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sehen 57 Prozent der Bundesbürger das Ansehen Raus durch die Flugaffäre beschädigt.
Wolfgang Clement hat unterdessen einen Ersatz für seinen in der Düsseldorfer Flugaffäre abgestürzten Finanzminister Heinz Schleußer gefunden. Am Mittwoch teilte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident mit, dass der bisherige Wirtschaftsminister Peer Steinbrück Mitte dieses Monats die Nachfolge Schleußers antreten wird.
Der 53-Jährige bringe aufgrund seiner Erfahrungen „beste Voraussetzungen“ für das schwierige Amt mit, begründete Clement seine Entscheidung. Als neuen Wirtschaftsminister präsentierte der SPD-Vize überraschend den 51-jährigen Ernst Schwanhold, der bisher als stellvertretender Vorsitzender in der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Wirtschaft, Technologie und Landwirtschaft zuständig war. Clement lobte Schwanhold als „ausgewiesenen Wirtschaftsexperten“. Er sei über die Lösung, der Gespräche mit Partei- und Fraktionsspitzen in Berlin und Düsseldorf vorausgegangen waren, „sehr froh und sehr glücklich“.
Steinbrücks politische Karriere begann 1983 als Umweltschutzreferent der SPD-Bundestagsfraktion. 1986 machte ihn der damalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau zu seinem Büroleiter. Von Düsseldorf wechselte der Diplomvolkswirt 1990 nach Schleswig-Holstein, wurde dort 1993 Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. 1998 holte Clement ihn als Nachfolger Bodo Hombachs zurück nach Düsseldorf.
Der als solide geltende Schwanhold war von 1995 bis 1998 wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Nun wird der gelernte Chemieingenieur auf sein Mandat dort verzichten.
Clement sagte, Schwanhold sei „nicht für drei Monate gekommen, er wird sein neues Amt für lange Zeit ausfüllen“.
Für die CDU hat sich die Flugaffäre inzwischen zu einem „Justizskandal“ ausgeweitet. Dem Finanzministerium sei ein unzulässiger Einblick in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft gestattet worden, behaupten die Christdemokraten. Sie vermuten, dass dabei Akten gesäubert wurden.
SPD-Justizminister Jochen Dieckmann bezeichnete die Akteneinsicht als „absolut korrekten Vorgang“. Schließlich habe das Finanzministerium vor der Weitergabe von Steuerstrafakten an den Ausschuss prüfen müssen, ob unter Umständen das Steuergeheimnis von Betroffenen verletzt werde. Pascal Beucker
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