: Gericht teilte Gefahrenprognose nicht
Umfangreiches Polizeimaterial genügte nicht für Demoverbot
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat gestern den Vorwurf zurückgewiesen, dass seine Verwaltung das Verbot der rechten Demonstration gegen das Holocaust-Mahnmal am vergangenen Samstag nur pflichtgemäß betrieben habe. Vielmehr hätten der Verfassungsschutz und der polizeiliche Staatsschutz dem Verwaltungsgericht mehrere Aktenordner mit „allen entscheidungsrelevanten Unterlagen“ vorgelegt.
Doch trotz des umfangreichen Materials kamen die Richter bei ihrer Gefahrenprognose zu einem anderen Ergebnis als die Polizei. Diese hatte erklärt, die Versammlung werde „mit hoher Wahrscheinlichkeit einen unfriedlichen Verlauf nehmen“.
In dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes heißt es hingegen, „konkrete Anhaltspunkte“ dafür, dass von der rechten Demonstration eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgehen könnte, bestünden nicht. Auch die Argumentation der Innenverwaltung, dass die Berliner Demonstration als Ersatz für eine verbotene NPD-Demo in Göttingen gelte, die wegen befürchteter Gewalttätigkeit verboten worden sei, beeindruckte die Richter nicht. Zwar werde eine „nicht unerhebliche Zahl“ von Rechtsextremen erwartet, doch die Übertragung der Gefahrenprognose auf die Berliner Situation sei „nicht ohne weiteres überzeugend“. Die Göttinger Demonstration sei von vorneherein darauf angelegt gewesen, die gewalttätige Auseinandersetzung mit linken und linksextremen Gruppen zu suchen. Zudem seien die drei Hauptverantwortlichen der Göttinger Demonstration zuvor „in erheblichem Maße strafrechtlich aufgefallen“.
Der Berliner Anmelder, der die Demonstration gegen das Holocaust-Mahnmal bereits Ende November angemeldet hatte, sei dagegen unbescholten. Eine von ihm im Oktober 1999 veranstaltete Demonstration gegen das Holocaust-Mahnmal sei friedlich verlaufen.
„Konkrete Erkenntnisse zu gewalttätigen Teilnehmern bestehen hier lediglich zu einer Person, die nur als Ordner auftreten soll“, so der Beschluss. Der Demonstrationszug führe nicht durch eine Gegend, in der typischerweise ein politisch links einzuordnender Personenkreis wohne. „Aus diesen Gründen ist aus Sicht der Kammer unwahrscheinlich, dass die befürchtete Gewaltbereitschaft in die für die Gefahrenprognose erforderliche unmittelbare Gefährdung von Rechtsgütern umschlagen wird.“ An dieser Einschätzung ändere auch der Fund einer scharfen Waffe in Göttingen nichts.
Lediglich den Einsatz der zehn „Landsknechttrommeln“ verbot die Kammer, weil diese an Aufzüge der Nationalsozialisten erinnerten. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen