: Nordirische Regierung kaum mehr zu retten
Weil die IRA ihre Waffen behält, will London die Regionalregierung auflösen
Dublin (taz) – Der britische Nordirlandminister Peter Mandelson wollte gestern Abend die erst vor zwei Monaten gebildete nordirische Mehrparteienregierung aussetzen, die Krisenprovinz sollte vorübergehend wieder direkt aus London regiert werden. Eine entsprechende Erklärung war am Abend im Unterhaus erwartet worden.
Hintergrund ist die Waffenfrage. Der kanadische General John de Chastelain, der die Abrüstungsgespräche leitet, hatte am Dienstagfrüh den Regierungen in London und Dublin seinen Bericht vorgelegt. Zwar ist der Inhalt offiziell noch nicht bekannt gegeben worden, doch verschiedene Politiker haben bestätigt, dass es keine Fortschritte bei der Ausmusterung der IRA-Waffen gegeben habe.
Bis zum Abend fanden gestern Gespräche zwischen Regierungsbeamten und den nordirischen Parteien statt, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Unionistenchef David Trimble, der Friedensnobelpreisträger und nordirische Premierminister, hatte seinen Rücktritt angekündigt, falls die IRA nicht bis Ende Januar mit der Entwaffnung begonnen habe. Im November hatte er den Rat seiner Partei nur mit Mühe dazu bewegen können, einer Regierung mit Beteiligung der IRA-Partei Sinn Féin ohne vorherige Waffenabgabe der IRA zuzustimmen.
Mit Trimbles Rücktritt wäre der gesamte Friedensprozess gescheitert. Durch die vorübergehende Suspendierung der Regionalregierung erhofft sich Mandelson eine Galgenfrist für weitere Verhandlungen mit Sinn Féin und IRA. Zwischen London und Dublin herrscht offenbar keine Einigkeit über die weitere Vorgehensweise, ein Treffen zwischen den Premierministern Tony Blair und Bertie Ahern wurde gestern immer wieder verschoben. Ahern fürchtet, dass die Suspendierung der Belfaster Regierung und der im Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 festgelegten Institutionen dazu führen könne, dass sich die IRA vom Friedensprozess verabschiedet. Am Dienstag hatte die Organisation sich jedoch noch einmal ausdrücklich zum Waffenstillstand bekannt. Ralf Sotscheck
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