Ministerpräsident Koch hat gelogen. Angeblich tut’s ihm Leid: Nur scheinbar dumm
Da waren’s nur noch – ja, wie viele Hoffnungsträger bleiben der CDU jetzt eigentlich? Hessens Ministerpräsident Roland Koch steht jedenfalls nicht mehr auf der immer kürzer werdenden Liste. Nicht nur deshalb, weil er die Öffentlichkeit belogen hat, (obwohl das durchaus reichen würde), sondern auch wegen der dreisten Unverfrorenheit, mit der er seine Lüge als bloße „Dummheit“ bezeichnet. Das Wort enthält bereits die nächste Unwahrheit. Von Dummheit kann keine Rede sein.
Koch hat seinem unwiderstehlichen Bedürfnis, mit sich „ins Reine“ zu kommen, erst nachgegeben, nachdem Ende Januar der Antrag der rot-grünen Opposition gescheitert war, den hessischen Landtag aufzulösen. Was für ein Zufall, und wie sich diese Zufälle doch häufen. Auch die Wahrheitsliebe der meisten seiner ins Zwielicht geratenen Parteifreunde brach sich in den letzten Wochen immer erst dann Bahn, wenn die Fakten entweder ohnehin nicht mehr zu bestreiten waren und bald in den Zeitungen nachgelesen werden konnten oder wenn der Termin aus anderen Gründen gerade günstig schien.
Der hessische Ministerpräsident betont, sein „Fehler“ habe die „brutalst“-mögliche Aufklärung des Finanzskandals nicht behindert. Das mag so sein oder auch nicht. Aber es wäre vermutlich zu Neuwahlen gekommen, hätte er seine Lüge früher eingestanden. Vielleicht gibt es die allerdings dennoch. Es bleibt abzuwarten, wie sich die FDP verhalten wird. Sie darf im Lichte ihrer insgesamt prekären Lage und angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen nicht nur die hessischen Verhältnisse im Blick haben. Der bundespolitischen Führungsspitze scheint das bewusst zu sein.
Koch habe der Opposition eine „Steilvorlage“ geliefert, stellten zahlreiche Kommentatoren fest. Gewiss. Aber darum geht es jetzt wirklich nicht in erster Linie. Es droht allmählich zum Normalfall zu werden, dass wir uns nicht nur belügen lassen müssen, sondern danach auch noch unsägliche „Entschuldigungen“ zu ertragen haben, mit denen die Beteiligten alles bereinigt zu haben glauben. Er wolle sich jetzt wieder Sachthemen widmen, hat Koch erklärt, und Wolfgang Schäuble erteilte erst kürzlich dem Bundestagspräsidenten öffentliche Belehrungen darüber, in welcher Höhe dieser die CDU finanziell belasten dürfe. Wo kommen wir eigentlich hin? Franz Josef Strauß musste zurücktreten, weil er im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre das Parlament belogen hatte. Große, ferne Zeiten. Bettina Gaus
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