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Die CDU ist überflüssig und braucht einen seriösen KonkursEin Onkel, viele Enkel

Die Messen sind gesungen. Auf dem nächsten CDU-Bundesparteitag wird es definitiv keine Helmut!-Helmut!-Rufe mehr geben. Und auch seinem Nachfolger werden keine Choräle gelten. Deutschlands mächtigster Gesangverein muss Sprechen lernen, Streiten und Debattieren.

Nichts deutet darauf hin, dass die CDU den Ernst ihrer Lage schon übersieht. In ihr wuchert ein bösartiger Tumor, den sie mit Bettruhe und Beruhigungsmitteln behandeln will. Die CDU scheut die Operation am lebendigen Leib. Sie behauptet, sie werde gebraucht, aber keine Gesellschaft braucht eine Partei, die nicht einmal ihre eigene Erneuerung bewerkstelligt. In diesem Zustand ist die CDU völlig sinnlos. War sie am Ende tatsächlich nur noch eine Kohl-Partei? Dann wäre sie bereits zum Tode verurteilt, von Kohl selbst, der offenbar findet, nach seinem Abschied von der Regierungsmacht habe auch die von ihm geführte Partei keine Existenzberechtigung mehr.

„Wir müssen den Laden zusammenhalten“, lautet die Begründung derer, die vor radikaler Aufklärung und Erneuerung verzagen. Ein seriöser Konkursverwalter handelt anders. Der rettet nur, was zu retten ist, und trennt sich vom Rest. Warum gab es seit Beginn der Krise kein einziges Parteiausschlussverfahren? Wenigstens gegen Kanther. Warum kein Ausschlussverfahren gegen die Bremer Neumann und Perschau, die Helmut Kohl nach einem deutlichen Bundesvorstandsbeschluss noch öffentlich feierten und sein parteischädigendes Verhalten zur Tugend verklärten? Auch wenn sie nicht strafrechtlich zu belangen sind – müssen diese unsäglichen Kerle dann weiter den Namen der Partei besudeln ? Die CDU-Häuptlinge bieten ihrem Stamm keine Skalps. Kein Wunder, dass die träge Basis sich nur zaghaft, dann aber ziellos blutrünstig zu Wort meldet.Gegen wen soll sich ihr Zorn auf dem nächsten Parteitag richten? Der Ex-Ehrenvorsitzende wird sich nicht stellen, er schätzt auf einmal die distanzierte Kommunikation durch elektronische Medien, das Bad in der Menschenleere. Der Parteitag könnte also in einem kaum sachdienlichen Blutbad am gesamten Präsidium enden. Zwei Wege führen aus der Krise in Permanenz:

Plan A: „Onkel und Enkel“. Erkennbar sind die Enkel noch zu schwach, die Partei hinter sich zu scharen. Also muss ein Onkel her. Kein guter Onkel, wie Bernhard Vogel, sondern die „bösen Onkel“ wie Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler, die als erklärte Übergangsvorsitzende wirkliche Wilde wirbeln und wüten lassen. Dahinter folgen also „böse Enkel“ – von Schavan, Wulff, Merkel und Müller bis hin zu Beust, Rößler, Merz, Oettinger und Renner. Dazu gehört im übrigen auch Norbert Blüm, denn Verjüngung und Erneuerung sind keine Synonyme.

Plan B: „C-Frisch“: Womöglich wählen die Delegierten (zumeist Abgeordnete und solche, die es werden wollen) aus Trägheit eine Parteispitze, die sich der lückenlosen Verklärung verpflichtet fühlt. Dann muss eine christdemokratische Seelenwanderung in einen neuen Parteikörper stattfinden. Diese Partei müsste föderalistisch und damit antinationalistisch, europäisch und regionalistisch sein. Sie müsste personalistisch und kommunitaristisch sein und der Politik, wo immer nötig und möglich, Handlungsspielräume gegenüber der Ökonomie zurückerobern. Sie wäre urbaner und linker, jedenfalls linkskatholischer als die alte CDU und könnte im Parteienspektrum um eine bundesweite CSU ergänzt werden. Die Neue Christdemokratie wäre aber auch mit der SPD, der PDS und der FDP koalitionsfähig. Die deutsche Spielart des compromesso storico, eine Koalition von Christdemokraten und der Nachhaltigkeitspartei der Grünen, steht ohnehin noch aus. Wie bisher nur die sächsische Union könnte aber auch die Neue Christdemokratie bundesweit dauerhaft aus eigener Kraft ein Wählerspektum von über 50 % erreichen.

„Zieht euch warm an, wir kommen wieder!“, möchte man mit den Worten Oskar Lafontaines dem entideologisierten Schröder-Wahlverein zurufen. Peinlich, dass wir uns dafür vorher bis auf die Knochen ausziehen müssen. Markus Schubert

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