piwik no script img

„Es wird einen Verteilungskampf geben“

■ Volker Heller, Geschäftsführer der „kultur.management.bremen“, analysiert im taz-Gespräch die Perspektiven der Bremer Kulturpolitik im Zeichen der Krise und wirbt um eine Wiederaufnahme des Dialogs mit der Kulturbehörde

Spätestens mit der Veröffentlichung des Szenarios zur Entwicklung des konsumtiven Kulturetats ist Volker Heller in der Bremer Kulturszene ein Begriff. In diesem Papier hatte die Kultur-Consulting-Gesellschaft „kultur.management.bremen“ (kmb) unter ihrem Geschäftsführer Volker Heller prognostiziert, dass nach der bisherigen Finanzplanung des Senats das Defizit im Kulturbereich im Jahr 2005 auf fast 28 Millionen Mark ansteigen werde. Selbst durch radikalen Stellenabbau und massive Schließungen könne das Defizit allenfalls halbiert werden, heißt es in dem Szenario weiter. Wenige Tage nach Bekanntmachung dieses Papiers durch die taz beschloss der Senat auf der Grundlage dieses Szenarios, allen Bremer Kultureinrichtungen den Vertrauensschutz zu kündigen. Die Kulturszene reagierte empört auf diesen Beschluss und kündigte bis auf weiteres die Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde auf. Mit Volker Heller sprachen wir über diese dramatische Situation sowie über die mittelfristigen Perspektiven in der Bremer Kulturförderung.

taz: Die kmb ist nach Aussage von Kultursenator Bernt Schulte als bremeninterne Firma im Dienste der Bremer Kultureinrichtungen ins Leben gerufen worden. Momentan hat man nicht den Eindruck, als hätten die Einrichtungen sehnlichst auf Sie gewartet. Ihre für die Kultureinrichtungen entwickelten Workshops werden auf breiter Front boykottiert. Erstaunt Sie das?

Volker Heller: Zunächst: Nicht alle Einrichtungen verweigern die Zusammenarbeit. Aber es stimmt schon: Das Klima im Kulturbereich ist im Augenblick sehr aufgeheizt, und das erleichert den Start der kmb sicherlich nicht. Ich verstehe, dass wegen der jüngsten kulturpolitischen Senatsbeschlüsse in den Einrichtungen Existenzängste entstehen. Und ich verstehe auch, dass in einer solchen Krisensituation zunächst das Misstrauen gegenüber der Verwaltung stärker ist als der Blick dafür, dass die Arbeit der kmb Chancen für die Kulturszene birgt.

Wie erklären Sie sich denn die momentane Krisenstimmung?

Das hat eine lange Vorgeschichte. Die Kulturszene weiß ja besser als ich, wie oft in Bremen in der Vergangenheit angesichts knapper Kassen die Finanzierung einzelner Einrichtungen in Frage gestellt wurde und wie oft dabei schließlich kurzfristige Scheinlösungen gefunden wurden. Das geht nun definitiv nicht mehr. Und das ist in diesen Tagen in seiner dramatischen Tragweite allen klar geworden.

Aber genau jene Leute, denen Sie gerade eine kontinuierliche Verschleppung der Probleme bescheinigen, sollen nun eine Lösung finden ...

Ich mache das nicht an Personen fest. Das sind strukturelle Probleme, die in Deutschland alle Kommunen plagen. Und die Lösungsansätze müssen auf soliden Analysen und einer Verständigung über kulturpolitische Gesamtziele basieren. Die hierfür benötigten Informationsgrundlagen wird die kmb zukünftig für und in Abstimmung mit allen großen Einrichtungen erarbeiten. Darin besteht auch die Chance für die Kulturszene: Wer hier nämlich jahrelang vergeblich Zeit und Energie eingesetzt hat, um eine verlässliche Finanzierungsbasis für seine Arbeit zu erreichen, der wird sich am Ende des jetzt einsetzenden Prozesses von Kulturentwicklungsplanung und Installation neuer Steuerungsinstrumente auf ein klares kulturpolitisches Profil verbindlich berufen können, zu dem die Arbeit der eigenen Einrichtung auf ausdrücklichen Wunsch der Politik dann beitragen soll.

Dank Ihres Szenarios müssen momentan viele Einrichtungen aber vielmehr befürchten, dass sie zum zukünftigen kulturellen Profil nichts beitragen können werden, weil es sie dann schlicht nicht mehr gibt.

Das Szenario der kmb eröffnet einen ungeschönten Blick auf die derzeitigen Realitäten in der Bremer Kulturförderung. Man kann über diese Zustandsbeschreibung erschrecken, aber es macht keinen Sinn, sie nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Es ist aber falsch, das Szenario als politisches Handlungsprogramm zu lesen. Die kmb wickelt nicht die Kulturszene ab, sondern sucht nach Wegen, angesichts knapper Kassen ein Maximum an kultureller Vielfalt in der Stadt zu erhalten und finanziellen Spielraum für neue kulturelle Initiativen zu eröffnen, für die im Augenblick nichts übrig ist. Unter diesen Umständen erstarrt aber die Kultur einer Stadt. Es täte mir übrigens leid, wenn eine von mir gemachte Äußerung bei den Teilnehmern der Anstoßveranstaltung vom 4. Februar den Eindruck hervorgerufen hätte, ich würde ihr langjähriges Engagement für die Bremer Kultur herabwürdigen. Nichts liegt mir ferner als das. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass eine jahrelange, erkennbare Problemverschleppung zur jetzigen Zuspitzung erheblich beigetragen hat.

Herr Heller, wir reden über einen Kulturetat, in dem allein in diesem Jahr zehn Millionen Mark fehlen, und wir reden über eine politische Situation, in denen allen Einrichtungen gerade eben der Vertrauensschutz gekündigt worden ist. Und Sie sehen darin nur Chancen und erblicken gar finanzielle Spielräume für neue kulturelle Initiativen ...

Man darf sich keine Illusionen machen: Das sind Verteilungskämpfe, die geführt werden müssen. Und es ist absehbar, dass die Bremer Kulturszene vor der Herausforderung steht, sich in Zeiten knapper Mittel neu zu gestalten. Aber es hilft ja nichts: Bremen muss eine Korrelation zwischen der mittelfristigen Finanzplanung und der Anzahl und dem Umfang der kulturellen Förderungen herstellen, die realistisch finanzierbar ist. Hierbei muss Bremen sich politisch darüber verständigen, welches kulturelle Angebot für die Stadt gewollt wird. Und dann muss man dafür sorgen, dass dieses Angebot angemessen ausgestattet ist. Dieser Prozess muss jetzt mit Nachdruck begonnen werden, um die Stabilität der Kulturförderung für mittelfristige Zeiträume zu erzielen. Diese Stabilität ist für die Entwicklung und Planung der Einrichtungen eine wesentliche Voraussetzung.

Aber Ihr eigenes Szenario macht klar, dass die Deckungslücke im Kulturetat zum größten Teil nur mittels Schließungen „bei vollem Leistungsverlust“ gestopft werden kann. Das kann doch nur heißen, der Szene droht ein Kahlschlag ungeahnten Ausmaßes.

Das Szenario beschreibt realistisch Folgen aus der derzeitigen Haushaltsplanung, wie sie der Senat unter dem Druck der Haushaltslage erstellt hat. Zugleich gibt es viele Bemühungen, die Kulturfinanzierung mit besonderen Maßnahmen zu flankieren. Wesentlich ist, dass dabei die mittelfristige Perspektive bis zum Jahr 2005 mitgedacht und geplant wird, um die Bremer Kulturförderung tragfähig und berechenbar zu machen. Erst wenn aus diesem Prozess neue Zahlen und Entscheidungsvorschläge vorliegen, können die Auswirkungen für die Kulturlandschaft neu berechnet werden.

Aus welchen Ressort wird die kmb eigentlich finanziert?

Die kmb wird aus einem Fond des Finanzsenators für betriebswirtschaftliche Maßnahmen finanziert.

Fragen: Christoph Köster und Franco Zotta

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen