: Burschenschaft mit Wind in den Segeln
An der Uni Hamburg wird die rechtsextreme „Germania“ wieder aktiv ■ Von Christoph Ruf
Susanne Neuhaus* sitzt für die Liste „LINKS“ im Studierendenparlament (Stupa) der Universität Hamburg. Als sie kürzlich in der Mensa essen wollte, erlebte sie eine unangenehme Überraschung: „Plötzlich stand ein Mann mit Schmissen im Gesicht vor mir und zischelte mich an. Offensichtlich kannte der mich.“ Der junge Mann, Mitglied einer schlagenden Studenten-Verbindung, hatte offenbar keine Bedenken, an der Universität aufzutauchen: „Verbindungsleute und Burschenschaftler agitieren hier wieder recht offensiv. Noch vor zwei Jahren hätten die sich niemals getraut, hier aufzukreuzen“, zeigt sich Neuhaus schockiert.
Seit zwei Jahren sind Studentenverbindungen wieder im Studierendenparlament vertreten, auch bei der jüngsten Wahl Mitte Januar erzielten die Listen „Veritas“ und „Pro Uni“ jeweils einen Sitz. Neu ist jedoch, dass offen rechtsextremistische Burschenschaften wie die „Germania“ die Uni als Forum nutzen. Kürzlich wurden Plakate, mit dem Mitglieder rekrutiert werden sollen, in mehreren Uni-Gebäuden entdeckt. In den Wochen vor den Stupa-Wahlen wurden auch Plakate linker Listen mit der „Germania“-Propaganda überklebt. Das mit „Wind in die Segel“ überschriebene Pamphlet verbreitet nur notdürftig bemäntelte revanchistische Programmatik: „Die Deutsche Burschenschaft setzt sich für eine enge Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes, unabhängig von den es einteilenden Staatsgrenzen in Freiheit ein.“
Unter der auf dem Plakat angegebenen Internet-Adresse stösst mensch auf ein Sammelsurium rechter Lieblingsthemen: So agitieren die Germanen gegen die „Anti-Wehrmachts-Ausstellung“, die ein falsches Bild vermittele: „Selbst israelische Militärs beurteilen die deutschen Streitkräfte als die diszipliniertesten, fairsten und tüchtigsten Soldaten des Zweiten Weltkrieges.“
Menschen, die einen Zusammenhang zwischen solcher NS-Apologie und heutigen rassistischen Anschlägen sehen, bezeichnen die Germanen als „Pöbel“. Ein solcher sei nach dem Lübecker Brandanschlag im Januar 1996 vor das Verbindungshaus gezogen und habe „die Hausfront mit Steinen, Farbbomben und Signalmunition“ beworfen: „Die freche Blindheit der Linken ist uns ja schon bekannt: Kaum brennt ein von Ausländern bewohntes Haus, stecken gleich sogenannte Rechtsradikale dahinter.“
„Sogenannte Rechtsradikale“ gehen allerdings im Verbindungshaus der „Germania“ in der Uhlenhorster Sierichstrasse ein und aus. Der ehemalige Vorsitzende der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und heutige Betreiber des „Nationalen Info Telefons“, André Görtz, war bis 1993 Sprecher der Germanen. Neben der FAP traf sich auch die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ des verstorbenen Hitler-Verehrers Michael Kühnen in der Villa, in der 1993 auch der Auschwitz-Leugner David Irving referierte.
Die „Arbeitsgruppe zu den studentischen Verbindungen in Hamburg“ will nach jahrelanger Recherche im April ein Buch über Verbindungen herausgeben. Nach Einschätzung von AG-Sprecher Rainer Lohmeyer* handelt es sich bei der „Germania“ um „die Korporation, die unbestritten die besten Verbindungen ins rechtsextreme Lager hat“. * Namen geändert
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