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Ungarn statuiert ein Exempel

Nach dem Zyanid-Unglück von Baia Mare will das Land die Betreiberfirma in die Pleite treiben – als abschreckendes Beispiel ■ Von Keno Verseck

Die Zyanid-Giftwelle gefährdet die Trink- und Nutzwasserversorgung in Rumänien und Bulgarien. Die Wasserentnahme entlang der Donaugrenze ist größtenteils unterbrochen. Ungarn, das von der Umweltkatastrophe am schwersten getroffen ist, will in den kommenden Tagen offiziell gegen die australische Bergbaufirma Esmeralda Exploration klagen. Justizministerin Ibolya David verhandelt mit ihrem rumänischen Amtskollegen Valeriu Stoica über einen Schadenersatz Rumäniens an Ungarn.

Die Zyanid-Giftwelle erreichte gestern die Donaustädte Calarasi in Südostrumänien und Silistra in Nordostbulgarien. Die Konzentration ist immer noch zehnfach zu hoch. Nur im Südwesten Rumäniens und im Nordwesten Bulgariens durfte teilweise wieder Wasser entnommen werden. Fast überall gilt ein Fischfang- und sogar ein Fischverkaufsverbot, nicht einmal Vieh darf mit dem Flusswasser getränkt werden.

Für das Donaudelta befürchten rumänische Experten kein Fischsterben. Wie der Leiter des Donaudelta-Instituts in Tulcea, Radu Suciu, der taz sagte, seien allerdings keine genauen Prognosen über die Auswirkungen des Gifts möglich.

Nach Aussagen des ungarischen Prozessbevollmächtigten Laszlo Solyom, ehemaliger Vorsitzender des ungarischen Verfassungsgerichts, erwartet Ungarn von der Klage gegen die Minenfirma keine hohen Entschädigungssummen, weil das australische Unternehmen nur über wenig Eigenkapital verfüge. Man werde aber nicht davor zurückscheuen, die Firma in die Pleite zu treiben und so eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Scheitern die Schadenersatzverhandlungen mit Rumänien, wird Ungarn den Nachbarn möglicherweise verklagen. Unklar ist, ob es eine Chance hat, den rumänischen Staat etwa für die Vernachlässigung seiner umweltrechtlichen Aufsichtspflicht verantwortlich zu machen.

Das ungarisch-rumänische Verhältnis ist durch die Umweltkatastrophe schon jetzt belastet. In der vergangenen Woche warfen unbekannte Täter die Scheiben der rumänischen Botschaft in Budapest ein. Das ungarische Außenministerium entschuldigte sich für den Zwischenfall. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban sagte, er hoffe, dass im Verhältnis zwischen den beiden Ländern keine Spannungen auftreten würden. Zahlreiche rumänische Abgeordnete warfen Ungarn am Montag in einer Parlamentssitzung vor, das Ausmaß der Giftkatastrophe zu übertreiben, um Rumänien zu schaden.

Zugleich häufen sich Berichte, dass die australisch-rumänische Bergbaufirma Aurul aus Baia Mare die Gegend um die nordrumänische Stadt schon lange schwer mit Zyaniden verseucht hat. Allein im letzten Jahr hat die Firma dreimal Unfälle verursacht, bei denen Zyanid ausgelaufen ist. Auf Proteste von Anwohnern, die sich unter anderem an die rumänische Regierung gewandt hatten, hatten rumänische Behörden nicht reagiert. Derzeit sind durch weiteres Auslaufen von Zyaniden mindestens sieben Trinkwasserbrunnen in der Umgegend von Baia Mare vergiftet.

Unterdessen wurde bekannt, dass in der nordostrumänischen Stadt Falticeni auf dem Gelände des bankrotten Chemiekombinats Metadet 250 Tonnen Zyanide lagern, für deren Beseitigung die Firma kein Geld aufbringen kann. Rumänische Behörden befürchten, dass hier ein ähnlicher Unfall passieren könnte wie Ende Januar in Baia Mare. Schon im Juli 1988 war in dem Chemiekombinat ein Blau- und Schwefelsäurereservoir explodiert und hatte ein Fisch- und Tiersterben ausgelöst.

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