: „Wir lassen uns nicht wegmoderieren“
■ Öko-Siedler an Lesum sollen ihr Gelände verlassen. Schonend beibringen soll ihnen das Peter Kudella, Ex-CDU-Fraktionschef
Kurze Verschnaufpause vor der Schlachtung: Die Bewohner des Öko-Dorfes in Lesum werden vorerst nicht geräumt. Am Montag war die Frist abgelaufen, die den Siedlern für die Räumung des Geländes gesetzt worden war. Der Senat einigte sich gestern darauf, einen externen Moderator einzuschalten, der zwischen den Öko-Siedlern und den zuständigen Senatoren Hartmut Perschau (CDU, Finanzen) und Tine Wischer (SPD, Bau) vermitteln soll. Als Moderator haben sich die Senatoren Peter Kudella ausgeguckt, ehemaliger Fraktionschef der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Der Sprecher der Öko-Dörfler, Klaus Möhle, bezeichnete es als „dickes Ei“, dass ein Verfahren gewählt wurde, ohne mit den Betroffenen zu reden.
Der Beschluss des Senats lässt viel Platz für Interpretationen. Die Bürgerinitiative Grüner Weidedamm müsse die Nutzung des Geländes an der Lesum „in absehbarer Zeit“ beenden, hieß es im Beschluss. „Zur Vermeidung von rechtlichen und öffentlichen Auseinandersetzungen“ werde nun Kudella als Moderator eingeschaltet, der nun in Verhandlungen eintreten und „entsprechende Regelungen vereinbaren“ sollte. Spätestens bis Ende Mai erwarte man „dazu“ einen Bericht. Solange geht also die Schonfrist, doch der Arbeitsauftrag ist klar: Die Weidedammler sollen weg.
Die Fronten sind derzeit verhärtet: Perschau beruft sich darauf, dass der Fünfjahres-Pachtvertrag der Bauwagenbewohner bereits letzten Oktober ausgelaufen ist. Der Verein Grüner Weidedamm entgegnet, dass Perschau mündlich eine Vertragsverlängerung zugesagt habe. Theoretisch könnte nun, da die gesetzten Fristen abgelaufen sind, eine Räumung des Geländes beantragt werden.
„Wir lassen uns nicht wegmoderieren“, empört sich jetzt Möhle über den Beschluss des Senats. Perschau habe offenbar aus seiner Zeit als Hamburger CDU-Fraktionschef eine „Hafenstraßen-Paranoia“ mitgebracht, die ihn gegen jedwede andere Lebensform als die eigene vorzugehen zwinge. Nach wie vor fordern die Siedler, dass der Nutzungsvertrag um fünf weitere Jahre verlängert wird.
Mit wie viel Verhandlungsspielraum Peter Kudella ausgestattet wird, ist derzeit noch offen: „Ich habe, als die Anfrage kam, klar gesagt: Ich gehe da nicht hin und verhandle nur“, sagt Kudella selbst. Zwar müsse der Senat deutlich machen, wo die Grenzen liegen, etwa bei der verbleibenden Nutzungsdauer. „Ich verstehe mich aber nicht als Handlanger. Wenn der Senat sagt: Nach einem halben Jahr räumen wir ohnehin – dann mache ich das nicht“.
Eigentlich wollte der Senat bereits letzte Woche über das Problem reden. Doch gegen einen Vorschlag zum harten Durchgreifen aus dem Hause Perschau hatte sich Senatorin Wischer zur Wehr gesetzt. Selbst Innensenator Bernt Schulte (CDU) soll sich gegen die Law-and-Order-Vorgehensweise seines Parteikollegen gewendet haben. In der letzten Woche wurde dann Kudella als Moderator auserkoren.
Als „kleinkariert und piefig“ bezeichnete die grüne Fraktionssprecherin Helga Trüpel den Senatsbeschluss. „Alles was nicht ins engstirnige, kleinbürgerliche Weltbild der CDU-Altvorderen passt, soll weichen – und die Bremer Sozialdemokraten machen bei dieser üblen Provinzposse mit“, erklärte sie. Dass die Wahl eines neutralen Moderatoren auf einen ehemaligen CDU-Fraktionschef gefallen sei, setze „dem Ganzen die Krone auf“.
cd
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