So viele Dicke wie Hungernde

Zahl der übergewichtigen ErdbewohnerInnen nimmt stark zu. Nur in wenigen Staaten, darunter Kuba, sei die Ernährung ausgewogen, schreibt das World Watch Institute

BERLIN taz ■ Erstmalig ist die Zahl der übergewichtigen Menschen weltweit auf die Zahl der unterernährten und hungernden gestiegen. Rund 1,2 Milliarden Menschen nähmen zu viele und gesundheitsschädliche Nahrung zu sich, schreibt das umwelt- und gesellschaftspolitisch aktive World Watch Institute.

Nach einer neuen Studie des in Washington/USA beheimateten Forschungsinstitutes sind – gemessen an internationalen Standards – 55 Prozent der BewohnerInnen der USA übergewichtig oder fettleibig. Dies bringe Kosten für Gesundheitsversorgung von 118 Milliarden US-Dollar mit sich, während die Bekämpfung von Raucherkrankheiten nur 47 Milliarden Dollar verschlinge. Mittlerweile würde in den USA jährlich rund 400.000 Menschen das Fett aus dem Körper abgesaugt – Methoden, die World Watch für ein Kurieren an den Symptomen und für kontraproduktiv hält.

Doch nicht nur in den reichen Ländern nehme Fettleibigkeit zu – auch in Asien, Afrika und Lateinamerika litten immer mehr BewohnerInnen ärmerer Staaten an den Folgen von zu reichhaltiger Ernährung, schreibt das World Watch Institut. So seien 36 Prozent der BrasilianerInnen überernährt und 41 Prozent der KolumbianerInnen.

Die Entwicklung deutet nach Einschätzung des Institutes darauf hin, dass Hunger und Unterernährung nicht durch eine grundsätzlich zu geringe Versorgung mit Nahrungsmitteln hervorgerufen würden, sondern durch die falsche Verteilung der durchaus verhandenen Lebensmittel.

Eine schlechte Gesundheitspolitik in den meisten Staaten und mangelnde Beeinflussung der Bevölkerung in Richtung einer besseren Ernährung nennt World Watch als weitere Ursachen. Die Lücke werde von der Nahrungsmittelindustrie im eigenen Interesse ausgefüllt. Ein Großteil der Informationen über Ernährung stamme von den Konzernen, die Geld mit dem Verkauf dieser Produkte verdienten.

Eine der wenigen Ausnahmen bildet Kuba. Dort und im indischen Staat Kerala sei die Ernährung der Menschen am ausgewogensten. Das hänge mit staatlichen Vorsorge-Programmen zusammen, die sich vor allem an Frauen und Kinder richten.

HANNES KOCH