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Ökolabor KZ Ravensbrück

Zwei Historiker haben die Funktion der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise anthroposophischer Art für die Ernährungspolitik des „Dritten Reichs“ herausgearbeitet

Das Verhalten der deutschen Anthroposophen während des Nationalsozialismus zählt zu den seit Jahren heftig diskutierten Themen nicht nur im Kreise der Anhänger Rudolf Steiners. Für einen wichtigen Teilbereich haben jetzt Wolfgang Jacobeit und Christoph Kopke eine kleine, aber bedeutsame Studie vorgelegt: Die „Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise“ (BDW), die zu den zentralen Bestandteilen anthroposophischen Lebens gehört, zählte nicht nur einige führende Nazis zu ihren Anhängern, sondern wurde auch in verschiedenen Konzentrationslagern auf ihre Wirtschaftlichkeit hin erprobt.

Ausgangspunkt dieser Untersuchung war ein Versuchsgut des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, das nach dem Abzug der russischen Truppen 1993/94 den Mitarbeitern der nahen Mahn- und Gedenkstätte zugänglich gemacht wurde. Der erste Befund ergab, dass dieses Gelände seit 1939 der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung (DVA) unterstand, die dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS angegliedert war.

Am Beispiel verschiedener Versuchsgüter im Deutschen Reich zeigen die beiden Autoren, Mitarbeiter in der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen, in welchem Maße versucht wurde, die BDW in der Praxis zu erproben. Dabei arbeiten beide Autoren heraus, wie sehr diese von Rudolf Steiner entwickelte Wirtschaftsweise von der DVA aufgegriffen wurde, die sich als eine Institution der SS damit „im Widerstreit zweier deutscher Weltanschauungen befand“.

So zeigten unter anderem Heinrich Himmler oder Rudolf Hess Interesse an dieser Form einer „natürlichen“ Wirtschaftsweise. Dafür gab es verschiedene Gründe, beispielsweise die von Himmler geäußerte Befürchtung, dass die intensive künstliche Düngung langfristig Böden und Nahrungsmitteln Schaden zufüge. Zu den entschiedenen Kritikern zählte seit der Weimarer Republik die chemische Düngemittelindustrie, die, gestützt von maßgebenden Parteifunktionären, der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise unverhohlen feindlich gegenüberstand. Die Chemieindustrie nutzte dabei das Argument, dass wegen der Kriegslage die lebensnotwendige „Erzeugungsschlacht“ in der Landwirtschaft nur gewonnen werden könne, wenn weiterhin Kunstdünger verwendet würde. So zeigt sich nach Ansicht der Autoren insgesamt eine „im Ganzen zwiespältige Situation in der Haltung des Regimes gegenüber der BDW und ihren Vertretern“. Trotz zuweilen scharfer Kritik von Partei und Staat hielten Himmler und die DVA an den Versuchen auf insgesamt vierzehn Gütern fest. Dabei wurden KZ-Häftlinge nicht nur als Arbeitskräfte missbraucht, einige mussten zudem Ernährungsversuche erleiden.

Die Autoren wollten mit ihrer Arbeit nicht „in die Auseinandersetzungen von Anthroposophen mit dem NS-Regime“ eingreifen. Diese Zurückhaltung ist zu verstehen, weil diese Diskussion seit Jahren hart und nicht immer mit ausreichender wissenschaftlicher Sorgfalt begleitet wird. Gleichwohl leisten Jacobeit und Kopke einen wichtigen Beitrag zur komplexen Geschichte des Nationalsozialismus und des „Dritten Reichs“, indem sie ein „ideologisches Phänomen besonderer Art“ beschreiben.

Denn einerseits hatte der NS-Staat die Anthroposophische Gesellschaft als Trägerin einer unerwünschten Weltanschauung schon 1934 verboten, andererseits erschien vielen NS-Kadern die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise als eine „dem deutschen Volk adäquate Ernährungs- und Lebensweise“. Zugleich knüpfen die Autoren an aktuelle Forschungen an, indem sie die DVA „als begleitendes Instrument des nationalsozialistischen Eroberungskrieges“ betrachten, da diese die Besiedlung des Ostens durch „germanische“ Sielder organisatorisch vorbereiten und umsetzen wollte.

Jacobeit und Kopke haben nicht nur ein spannend zu lesendes, sondern für die historische Forschung wichtiges Bändchen vorgelegt. TILLMANN BENDIKOWSKI

Wolfgang Jacobeit/Christoph Kopke: „Die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im KZ. Die Güter der ,Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung‘ der SS von 1939 bis 1945“. Trafo verlag Berlin, 134 Seiten, 39,80 Mark

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