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Wider die Fantasielosigkeit

Staatliche Frauenpolitik muss anders werden. Bisher kaschiert sie die Widersprüche,in denen Frauen heute leben. Die Frauen müssen besser, subversiv und offensiv vorgehen

von MECHTHILD JANSEN

„Aufbruch in der Frauenpolitik“ hatte die rot-grüne Regierung verheißen. Sie bietet jedoch nur einen verdünnten Aufguss des Alten. Damit steigert sie Paradoxien, die die Lage der Frauen eh kennzeichnen. Niemand bestreitet, dass Frauen fortgesetzt diskriminiert werden. Geleugnet aber wird, dass die tiefe soziale Revolution unserer Gesellschaft „Weibliches“ begehrt und kostbar macht, denn auf Zusammenhang, Verbindung, den „Faktor Mensch“ kommt es an. Zur Gleichberechtigung bekennt sich jeder, doch eine entsprechende Politik wird verdrängt. Während Politik mit Inszenierung, Verführung, Show in Gestalt und Funktion auffallend verweiblicht, spielen konkrete Frauen eine schwindende Rolle.

Die Frauenpolitik ist stehen geblieben auf dem Stand von vor zehn Jahren

Nichts davon will die Politik wahrnehmen. „Frauenpolitik“ kaschiert das. Ein neues Gleichstellungsgesetz, unverbindlich, aber mit Subvention für die Wirtschaft; das x-te Aktionsprogramm zum Schutz vor Gewalt; die Bitte an Männer, sich auch um die Familie zu kümmern; ein paar Groschen mehr bei Erziehungsgeld oder Steuer; ein geduldiges Anklopfen vor dem „Bündnis für Arbeit“ – gemessen am Elend der Unvereinbarkeit von Berufskarrieren und privatem Zusammenleben mit Groß oder Klein, der unbezahlten Arbeit und des patriarchal-kapitalen Wertsystems handelt sich es um Lächerlichkeiten. Eine Nachfahrin Claudia Noltes jedoch bleibt berufsmäßig „engagiert“, zur Verzierung des Ganzen. Außerdem gibt es noch Doppelspitze, Quoten, Netzwerke, nun sogar „Ladies Lunch“ und Ähnliches. Diese Politik ist stehen geblieben auf dem Stand vor zehn Jahren. Das allein bürgt schon für Rückschritt. Mittlerweile abgegessen bis zum allerletzten Rest und bepflastert vom Mittelmaß, wird sie mit Sicherheit weiter dahindümpeln. Wo „Frau“ draufsteht, wird die Sache einer „Frauen“-Frau zugewiesen und ansonsten hört unter Garantie keiner mehr hin. Der Begriff ist Selektionsmerkmal fürs Kleinteilen und Wegräumen der Herausforderung geworden. Nun im Mainstreaming-Verfahren betrieben, erfolgt das Verschwinden so unauffällig, dass der Gegenstand wahrscheinlich für immer unauffindbar wird. Kein Wunder, dass auch nur die halbswegs Schlauen von Frauenpolitik nichts mehr wissen wollen und die einzige Neuerung noch darin besteht, es so zu machen wie der traditionellste Mann seit eh und je.

Statt ihre Kraft einzusetzen, hat sich Politik mit der Globalisierung einzig dem Geld unterworfen. Sie gibt sich auf, um bloß zu falschem Kitt, Lüge und Instrumentalisierung von Menschen und Beziehungen zu werden. Sie hat vor unser aller Augen den neuen Mann auferstehen lassen. Der glänzende Kanzler oder Außenminister: Er ist die eigentliche neue Frauenpolitik. Er vereint in sich weibliche und männliche Eigenschaften, außen weich (in der Methode) und innen hart (an der Macht) wird er der neue König. Ironischerweise gibt sich in ihm sogar „der Mann“ auf, weil er seine Entscheidungsfreiheit opfert und sich handlungsunfähig macht. Mit diesem Mann kann schon längst keine neue Frau mehr konkurrieren, denn nichts ist schärfer als er, der beide herkömmlichen Rollen kombiniert. In Kopie ist das Muster langweilig oder Angst einflößend, obendrein sind entsprechende Frauen nicht da, weil sie noch nicht gelernt haben, so beliebig zu sein. Der Politiker und sein Inhalt sind heute getrennte Funktionen, Hülse und variable Füllung durch Stimmungen, Umfragen, Berater. Die Stunde programmatischer Innovateure ist noch nicht neu gekommen.

Seelentrost, Frische, gute Moral: Nur dafür gelten Politikerinnen als geeignet

So dackeln auch die zeitgemäßeren Frauen nur hinterher. Wo Politik, wenn überhaupt, nur von der Spitze her bestimmt wird, wird patriarchale Herrschaft auf neuer Ebene unangreifbar und bleiben Frauen notwendigerweise abhängige Variable. Ausgewählt vom obersten Mann, auf den passenden Platz gesetzt für Müllbeseitigung, Krisenmanagement, Seelentrost, Frische, Sauberkeit, gute Moral, Erziehung und innere Sicherheit, für Opposition und Wiedereroberung von Macht, praktisch, patent und gut für das heruntergekommene öffentliche Haus – damit wird frau, heißen sie Merkel, Fischer oder Däubler-Gmelin, niemals gegen einen Kohl, Schröder, Fischer, Westerwelle, Haider, Merz siegen.

Alternativlos ist die Lage trotzdem nicht. Neu anfangen heißt es in jedem Fall. Wer überlegen sein will, sucht eilig das Muster zu überbieten oder einen anderen Ansatz. Im ersten Fall muss frau hirnverbrannt selbstverliebt, machtgeil, hinterhältig, tumb, korrupt, intrigant, schweinisch, böse und schlau sein und eine geschlossene Verschwörung bilden, Leonardo DiCaprio heiraten, drei schwarze Kinder adoptieren, Schildkröten retten und im Garten aufziehen, auf mittelmäßige „Schönheit“ operiert sein, Individualität aufgeben, außen eine Mischung aus Mutter und scharfem Onkel abgeben und innen leer sein. Sie muss ihren Feldzug nach dem Handauflegen, den Bildern und der Werbung, mindestens noch mit Küssen, Duftstoffen und Musik krönen. Wer es brutal will, geht in die Bundeswehr, greift durch und sorgt für Recht und Ordnung im inneren Einsatz und nach außen. Wer es vornehmer mag, diskreter und freier, oder auf Karriere abgesehen hat, macht sich und ihr Tun hemmungs- und gnadenlos zu Geld. Es kommt die Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, jeder Kontakt und Austausch mit anderen kostet Höchstpreise plus Schmiergelder. Sie lässt andere für sich arbeiten, frönt ihrer Lust und Freiheit und nimmt sich Zeit für kluge Entscheidungen.

Wer es, zweiter Fall, grundsätzlicher nehmen will, auf Gleichberechtigung und Teilen von Macht abgesehen hat, nimmt den Männern das alleinige Definitionsrecht über Zukunft, Wirtschaft, Effizienz, Arbeit, Gesellschaft, Grundrechte, Demokratie und Gerechtigkeit ab und legt selbst höchsten Wert auf das Allgemeine. Dann plant frau eine andere Grundsteinlegung, auf der auch Mainstreaming Sinn macht. Die es menschlich wollen, stimmen Klage über Verluste an und singen von ihrer Sehnsucht, um andere zu erweichen. Sie streiten über Sachen, schmieden Programme vom gleichen Recht der „einen“ wie der „anderen“, von demokratischer, offener Gesellschaft, sozialer, reicher Wirtschaft und sammeln entsprechendes Personal. Wem für vieles noch die Worte fehlen, macht es symbolisch: spielt verdeckt mit weiblicher Erotik, Schutz und Stärke. Politik ist ein einziges Begehren geliebter Objekte. Sie sucht eine Kanzlerkandidatin mit offener Männer- und Frauenliste, zeigt Farbe, steht zu sich und lässt so Alternativen erkennen. Wer aufbauen will, organisiert endlich strukturelle Neugestaltung der Arbeit; macht sich in Parteien und Organisationen von den bestehenden Frauen- und der Einbindung in die Männerstrukturen frei, um diese nach neuer Architektur umzubauen; fährt Gleichstellungspolitik zu wenigen vereinfachten, vertieften Maßnahmen auf beiden Seiten der Geschlechter herunter. Anreize ersetzen Verbote und beziehen sich auf einige durchschnittliche Parameter für Macht, Einkommen und Freiheit. Immer muss mensch es genauso besser und subversiv-offensiv anders machen.

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