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„Kindernot zunutze gemacht“

Siebeneinhalb Jahre Haft für Rudolf K., der in Südostasien Jungen missbrauchte. Anwalt: Die Kinder sind sexuell verdorben  ■ Von Elke Spanner

Zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte muss ein Mann aus Hamburg dafür ins Gefängnis, dass er als Sextourist im Ausland Kinder missbrauchte: Das Landgericht verurteilte Rudolf K. gestern zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft. Von 1992 bis 1997 war er zwei Mal pro Jahr nach Südostasien gereist, wo er vor allem Jungen zwischen sechs und 14 Jahren sexuell missbrauchte und die Taten filmte. In 38 Fällen sei erwiesen, dass er sich „die Not der Kinder und ihrer Familien zunutze gemacht hat“, sagte der Vorsitzende Richter Volker Oehlrich: „Auch Kinder, die aus wirtschaftlicher Not in die Prostitution gezwungen werden, sind Kinder.“

Diese Bemerkung dürfte zur Belehrung des Rechtsanwaltes von Rudolf K. gefallen sein. Hellmut Sempell hatte in seinem Plädoyer am Mittwoch behauptet, die Jungen hätten an den Sexualpraktiken „Spaß gehabt“, hätten sich dem Angeklagten „schamlos aufgedrängt“ und den Ekel, der auf den Videoaufnahmen zu erkennen war, „womöglich nur gespielt“. Unbeirrt hielt er auch nach dem Urteil an seinem Bild von südostasiatischen Kindern fest: Zwar seien Minderjährige im Ausland ebenso schutzwürdig wie hier. Aber „der Angeklagte hat diesen Kindern nicht geschadet. Die sind sexuell verdorben.“

Rudolf K. hatte im Prozess die Taten gestanden. Allerdings hatte er sich selber als Wohltäter der Kinder und ihrer Familien bezeichnet, schließlich habe er ihnen Geld gezahlt und Geschenke gemacht. Körperliche Gewalt, beteuerte er, habe er niemals angewandt. Dennoch habe er einen „besonders schweren Fall“ des Missbrauchs begangen, urteilte das Gericht. Zwar habe er mit den Kindern nicht, wie ausdrücklich im Gesetz als schwerwiegend bezeichnet, „den Beischlaf vollzogen“ – Anwalt Sempell nickte demonstrativ. Auf den Videobändern war jedoch zu sehen, dass er den Jungen in den Mund und ins Gesicht ejakuliert hatte. Diese Praktiken seien für Kinder immer „besonders erniedrigend“.

1993 war Rudolf K. vom Landgericht Kleve bereits einmal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden, damals zu einer Bewährungsstrafe. Die nun abgeurteilten 38 Taten hatte er alle anschließend begangen – obwohl er zwischenzeitlich in Therapie war. Seine Zukunftsprognose, so gestern Richter Öhlrich vorsichtig, lasse befürchten, dass Rudolf K. weitere derartige Taten begehe. Er habe allerdings „Ansätze von Reue“ gezeigt. Deshalb „bestrafen wir ihn hart, geben ihn aber nicht verloren“.

Erst seit 1993 können Sextouris-ten für Kindesmissbrauch im Ausland bestraft werden. Vorher muss-ten sowohl der Täter als auch das Kind Deutsche sein. Seither ist die Nationalität der Opfer egal. Bundesweit wurden bisher sieben Männer verurteilt, 35 Verfahren sind noch anhängig.

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