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„Drei Skinheads wären problematisch“

Schade, schade: Deutschlands Medienwächter können an der Überwachungsshow „Big Brother“ partout nichts beanstanden. Selbst der zur Prüfung des Formats beauftragte Gutachter kommt zu dem Ergebnis: harmlos

In der täglichen RTL2-Ereignisshow „Big Brother“ sah Innenminister Otto Schily – wie auch viele andere Politiker – eine Verletzung der „Menschenwürde“. Doch am Dienstag konnten sich die Landesmedienanstalten nicht einmal zur geringsten aller möglichen Sanktionen, einer Beanstandung, durchringen. Zu verdanken hat RTL2 dies nicht zuletzt auch dem Marburger Verfassungsrechtler Werner Frotscher, der im Auftrag der zuständigen hessischen Medienaufsicht das Format untersuchte. Frotschers Urteil scheint eindeutig. Mit der taz spricht er erstmals über sein bisher unter Verschluss gehaltenes Gutachten.

taz: Verstößt die RTL2-Sendung „Big Brother“ Ihrer Meinung nach gegen die Menschenwürde?

Werner Frotscher: Nein. Die Menschenwürde schützt nur den absoluten Kernbereich menschlicher Existenz, der hier aber nicht betroffen ist.

Die Teilnehmer werden also nicht zum „bloßen Objekt“ einer voyeuristischen Öffentlichkeit gemacht?

Nein, sie werden als Subjekte mit eigener Persönlichkeit eingeführt und können sich dabei durchaus noch entwickeln. Außerdem ist auch die Selbstbestimmung ein Aspekt der Menschenwürde. Die Teilnehmer haben sich ja freiwillig gemeldet und können jederzeit gehen.

Dabei halten Sie die Menschenwürde doch für ein objektiv rechtliches Konzept, das staatliches Eingreifen auch gegen den Willen der Betroffenen zulässt ...

Richtig. Nur darf dieses objektive Konzept nicht dazu führen, dass persönliche Wertvorstellungen von Politikern der Gesellschaft aufgezwungen werden.

Sie würden also auch keine Verschärfung des Rundfunkstaatsvertrags fordern, um besser gegen Formate wie „Big Brother“ vorgehen zu können.

Eine solche Verschärfung wäre rechtlich gar nicht möglich. Immerhin ist auch die Programmfreiheit der Rundfunksender ein Verfassungswert.

Ihr Gutachten haben Sie vor allem auf der Grundlage der holländischen „Big Brother“-Version erstellt. Die deutsche Neuauflage hat das Konzept verschärft, indem gegensätzlichere Teilnehmer ausgewählt wurden. Könnte sich unter diesem Gesichtspunkt Ihre Bewertung ändern?

Soweit ich sehe, verstehen sich auch die Teilnehmer in Deutschland recht gut. Problematisch wäre es sicher, wenn drei Skinheads mit einem Ausländer in den Container gesteckt würden. Doch wenn bei der jetzigen Gruppe ein Skinhead dabei wäre, würde er vielleicht sogar zu einem verträglichen Mitspieler.

Hat es auch in Holland eine juristische Diskussion um „Big Brother“ gegeben?

Ich habe mich erkundigt, aber nichts gefunden. So etwas scheint ein typisch deutsches Problem zu sein. Ich wundere mich auch, wie lange sich diese Menschenwürde-Diskussion hier halten konnte.

Dies liegt vielleicht auch daran, dass die hessische Medienaufsicht Ihre Untersuchung zurückgehalten hat ...

Dazu äußere ich mich nicht.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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