: Böhse Onkelz meistbietend
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen „eBay“: Das Online-Auktionshaus bringt auch mal Originalaufnahmen der Reden von Nazi-Größen unter den Hammer
Bei der Bonner Prüfstelle für jugendgefährdende Schriften liegen seit Februar Klagen von Internet-Nutzern vor. Sie haben in den Online-Auktionen von eBay indizierte, mitunter sogar bundesweit beschlagnahmte Ware entdeckt. Die Prüfstelle gab die Hinweise an die Staatsanwaltschaft Köln weiter. Es bestehe der Verdacht, sagt ein Sprecher, dass eBay gegen das „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ verstoßen habe.
In der Berliner Deutschland-Zentrale des weltweit marktführenden unter den Online-Auktionshäusern gibt man sich verdutzt. Ein hauseigener Filter solle dafür sorgen, dass die Kunden des Unternehmens nichts Rechtswidriges versteigern könnten. Das Programm, sagt Pressesprecher Joachim Güntert, sei mit den Index-Listen der Bundesprüfstelle gefüttert und durchforste die Auktionen automatisch. Zudem seien drei Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, verbotene Angebote aufzustöbern. Dass Mensch und Maschine offenbar allerlei Indiziertes und Verbotenes durch die Lappen gegangen ist, findet auch der Pressesprecher „nicht befriedigend“. Er verweist aber darauf, dass eBay nur den technischen Rahmen anbiete. Käufe und Verkäufe regelten die Nutzer untereinander. Wenn allein bei eBay Deutschland rund 270.000 Auktionen parallel stattfänden, könne das Unternehmen die Einhaltung der Bestimmungen nicht im Einzelnen überprüfen. Man werde aber den Vorwürfen nachgehen und unzulässige Angebote löschen.
Für die Jugendschützer in Bonn ist die Rechtslage klar: Beschlagnahmtes darf gar nicht zum Kauf angeboten werden, indizierte Schriften Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht oder beworben werden. Die Bundesprüfstelle verweist auf die Novelle des „Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ vom August 1997, die präzisiert, dass Minderjährige auch im Internet nicht auf indizierte Materialien hingewiesen werden dürfen.
Eindeutig verstößt die Versteigerung indizierter Medien gegen die eigenen Nutzungsbedingungen von eBay. Jugendgefährdende Schriften sind in der „Liste verbotener Waren“ ausdrücklich erwähnt. Nicht versteigert werden dürfen ferner „Propagandaartikel und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, insbesondere nationalsozialistische Artikel und Artikel mit nationalsozialistischen Bezügen“.
Stichproben in den eBay-Auktionen der vergangenen Wochen bestätigen aber, dass dort noch immer nicht nur Waren mit eindeutigem NS-Bezug auftauchen, sondern tatsächlich auch Indiziertes und Beschlagnahmtes – auch noch nach Aufnahme des Kölner Ermittlungen, z. B. LPs mit Originalaufnahmen der Reden von Nazi-Größen angeboten, darunter Hitler und Goebbels. Obwohl die Bundesprüfstelle im Juni 1993 das „Böhse Onkelz“-Album „Hässlich“ indiziert hat, ist die Platte bei eBay gegen Höchstgebot zu haben. Von den Onkelz versteigert ein Nutzer die CD „Der nette Mann“ („Mit 100 % Sicherheit keine Neuauflage“) die das AmtsgerichtSchwäbisch Hall 1993 wegen „Gewaltdarstellung“ beschlagnahmen ließ.
Auch das aus vier LPs bestehende Paket „Gods of War“ ist im Angebot, das Alben der Nazi-Skin-Bands Screwdriver, Skullhead und No Remorse (Keine Reue) umfasst. Die Musikrichtung gibt der Verkäufer mit den Stichworten Skinhead/RAC – das Kürzel steht für „Rock against Communism“ und ist die Parole, unter der die von Screwdriver-Kopf Ian Stuart Donaldson begründete neonazistische Blood-&-Honour-Bewegung auf den Plan trat. Das wegen antisemitischer Tendenzen beschlagnahmte Buch „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“ von Jan van Helsing (alias Udo Holey) preist sein Verkäufer als „Wegweiser durch die Verstrickungen von Logentum und Hochfinanz“. Ein weiterer eBay-Kunde, „Lordwynton“, der van Helsings „Buch 3“ anbietet, scheint sich die Lektüre erspart zu haben – er versteigert den Band im „original verschweißten Zustand“.
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