: „Qualitative Kultur hat ihren Preis“
Der Unternehmensberater Jörg Forthmann plädiert für eine effektivere Verwaltung und Sponsoring
taz: Die Ausgaben für öffentliche Leistungen haben große Schuldenberge hervorgebracht. Sehen Sie da einen Ausweg?
Jörg Forthmann: Zins und Tilgung für die angehäuften Schulden machen die Sache schwer. Die Finanzverantwortlichen haben kaum Spielraum. Lösen kann man das Problem aber. Verwaltung ist eine Dienstleistung wie andere auch – und kann effizienter gestaltet werden.
Bei den Verantwortlichen ist aber üblich, nach der Rasenmähermethode überall zu kürzen. Und die Ressorts klagen, ihre Grenze sei längst erreicht.
Sparen bedeutet ja nicht immer, die Ausgaben zu kürzen und das so umzusetzen, dass man weniger leistet. Wir werden jedoch nicht um die Kürzung von Leistungen herumkommen. Die Verwaltungen müssen aber vor allem die Effizienz ihrer Ausgaben überprüfen. Da gibt es erhebliches Sparpotenzial.
Ihre Unternehmensberatung hat in Berlin bereits die Ausländerbehörde und die Polizei unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die Strukturen das größte Sparhindernis sind.
Detailliert kann ich zu diesen Fällen nichts sagen. Generell lässt sich aber feststellen, dass in Verwaltungen der uneffiziente Personaleinsatz, ein Rückstand beim Einsatz von Informationstechnologien und ein überteuerter Einkauf die Hauptprobleme sind. Bei den Behörden dauert es meist sehr lange, bis man eine bestimmte Leistung, etwa einen neuen Personalausweis, bekommt.
Als neuer Regierungssitz will Berlin ein besonderes Kultur- und Veranstaltungsangebot bieten. Das ist zwar verständlich. Aber ist es überhaupt finanzierbar?
Wenn man ein überproportionales Angebot will, dann muss für dieses Mehr auch mehr aufgewendet werden. So wie man im Alltag für 100 Mark nur eine begrenzte Menge einkaufen kann, lässt sich mit einer festgelegten Summe kein wesentlich höherer Output qualitativer Kultur produzieren. Das geht nicht.
Also müsste mehr Geld her. Oder sehen Sie noch andere Möglichkeiten?
Es gibt durchaus andere Modelle, die aber in der Bundesrepublik noch nicht weit verbreitet sind: das Sponsoring herausragender Kulturveranstaltungen durch große Unternehmen bespielsweise. Das würde die öffentliche Hand entlasten.
Ein solcher Rückzug des Staates widerspricht jedoch dem Angebotsanspruch. Wir sehen das auch im Gesundheitswesen.
Natürlich lassen sich die verschiedenen Bereiche nicht gleichsetzen. Aber im Zuge des technischen Fortschritts müssen wir uns entweder auf höhere Kosten oder auf Rationierung einstellen.
Angenommen, Sie würden das Land Berlin beraten. Wo würden Sie als Erstes nach Sparmöglichkeiten suchen?
Ich kann zwar keine Ferndiagnose leisten. In der Regel sind es aber wenige Stellen, die 80 Prozent der Kosten oder mehr verursachen. Meist sind das die Gebiete Personaleinsatz und die Ausgaben zu Gunsten der Bürger.
Interview: DIRK HEMPEL
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