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Streit um Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in Tschechien

Seit Anfang der Woche ist die Kampfschrift in tschechischer Sprache erhältlich. Der Prager Verleger will die Übersetzung als Aufklärung und Warnung verstanden wissen. Der Freistaat Bayern versucht jetzt gegen die Verbreitung vorzugehen – notfalls per Gerichtsbeschluss

PRAG taz ■ Auf dem tiefschwarzen Umschlag, gleich unter den altdeutschen Lettern, prangt eine fette Warnung: „Die Anwendung dieser bestialischen Philosophie hat in der Praxis den Tod von Abermillionen verursacht.“

Die Warnung gilt dem tschechischen Leser. Seit Montag ist Hitlers „Mein Kampf“ erstmals und unkommentiert in Tschechien zu haben. Fast überall. In Buchläden, Kiosken und U-Bahn-Stationen liegt das Buch zwischen Harlekin-Romanen und Detektivschmonzetten. „Diese Übersetzung erscheint, damit ,Mein Kampf‘ aufhört, ein geheimes und mystisches Buch zu sein, und sich die Geschichte nicht wiederholen kann“, heißt es im Warnhinweis weiter.

Doch der gute Wille des Herausgebers Michael Zitko und seines Verlags Otakar II wird verkannt. Ob denn das Buch nicht unter den Paragrafen der Propagierung des Kommunismus und Faschismus falle und seine Verbreitung demzufolge strafbar sei, erbosten sich Politiker, die Jüdische Gemeinde und der Verband der tschechischen Freiheitskämpfer. „Es ist ein historisches Dokument über einen toten Menschen und über ein Regime, das so geendet hat, wie es geendet hat, und das schreckliches Unheil verursacht hat“, konterte Zitko die Anschuldigungen.

Dann aber kam dicke Luft aus München. Der Freistaat Bayern besitzt die Rechte an „Mein Kampf“ und benutzt diese, um die Herausgabe des Buches international zu verhindern. So hatte der Freistaat den schwedischen Verleger Kalle Hägglund gezwungen, das Buch vom Markt zu nehmen. Michael Zitko blüht jetzt Ähnliches. Kaum war das Buch verlegt, flatterte ihm eine Forderung der deutschen Botschaft in Prag auf den Tisch, seine Verbreitung einzustellen. Zitko ging in die Offensive. Die Forderung der Botschaft stelle ein Eingreifen in die Souveränität des tschechischen Staates dar, schimpfte er. Außerdem sieht Zitko keine Verbindung zwischen Hitlers Kampfschrift und der Anzahl derer, die sich davon verführen lassen. „Deutschland, wo das Buch verboten ist, hat die meisten Neonazis in Mitteleuropa.“ Es sei fraglich, ob die durchschnittliche tschechische Glatze des Lesens kundig genug sei, um sich durch 250 Seiten zu kämpfen, betonen tschechische Kommentatoren.

Sollte der Freistaat den tschechischen Verleger vor Gericht bringen, kann er seine Argumentation auch mit dem Wunsch des Autors begründen. Adolf Hitler hat untersagt, sein Werk jemals in tschechischer Sprache zu publizieren. ULRIKE BRAUN

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