: Kohl will sich erleichtern
Er stellt sich dem Untersuchungsausschuss. Ex-Chef von Elf will über Schmiergelder plaudern
von KARIN NINK
Altkanzler Helmut Kohl hat in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus versichert, dass er im Juni vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen werde, obwohl die Staatsanwaltschaft Bonn gegen ihn wegen Untreue ermittelt und er deswegen von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen könnte. „Ich will und ich werde aussagen“, sagte Kohl.
Gleichzeitig übte er heftige Kritik an dem Untersuchungsausschuss, der klären soll, ob Entscheidungen der Bundesregierung von ihm als vormaligen Kanzler mit Schmiergeldern beeinflusst worden sind. Der Ausschuss habe „eindeutig zum Ziel, die Jahre zwischen 1982 und 1998, also die meiner Amtszeit als Bundeskanzler, zu diffamieren“, spinnt Kohl öffentlich seine Verschwörungstheorie. Deswegen brauche er auch sein Bundestagsmandat, „um im Untersuchungsausschuss nicht schutzlos zu sein“. Er wolle wieder regelmäßig an den Bundestagssitzungen teilnehmen, betonte Kohl. Er wird aber nicht zum bevorstehenden CDU-Parteitag nach Essen kommen, „um von vornherein jeglichen Anschein der Einmischung“ bei der Diskussion um die neue CDU-Führung und die Parteireform zu vermeiden. Kohl machte Wolfgang Schäuble, der in Folge der CDU-Finanzaffäre auf seinen Fraktions- und Parteivorsitz verzichten musste, ein Versöhnungsangebot. Dieser hatte zuvor gesagt, Kohl habe sich ihm gegenüber unloyal verhalten, es fehle ihm an Unrechtsbewusstsein.
Unterdessen bestätigte der ehemalige Chef des französischen Mineralölkonzerns Elf Aquitaine, Loik Le Floch-Prigent, im Spiegel, dass der verstorbene Staatspräsident François Mitterrand über Schmiergeldzahlungen von Elf beim Erwerb der Leuna-Werke informiert gewesen sei. „Es gab Lobbyaktionen, und unsere Aktivitäten haben auch zu Überweisungen geführt“, sagte Le Floch-Prigent. „Die Summen waren bei Elf nie geheim. Sie wurden in einem Bericht jeweils am Jahresende dem Finanzminister und dem Präsidenten der Republik mitgeteilt.“ Die Empfänger der Bestechungsgelder seien nie benannt geworden, sagte der Ex-Konzernchef, der den damaligen Staatsbetrieb von 1989 bis 1993 führte und gegen den in Frankreich wegen Untreue ermittelt wird. Bei der Leuna-Privatisierung sollen Schmiergelder in Höhe von 85 Millionen Mark geflossen sein.
Unter Hinweis auf laufende Verfahren gegen ihn wollte sich der ehemalige Elf-Chef nicht zu Spekulationen äußern, wonach Mitterrand persönlich Zahlungen von 30 Millionen Mark zu Gunsten von Kohl und der CDU für den Bundestagswahlkampf 1990 angewiesen habe.
Den Kauf von Leuna im Paket mit der ostdeutschen Minol-Tankstellenkette nannte Le Floch-Prigent „eine logische Konsequenz aus unserer neuen Politik im Osten“. Denn Elf habe Ölproduzent in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion werden wollen, deswegen habe man Raffinerien in Ostdeutschland betreiben wollen. Das erklärt, warum der französische Konzern an Leuna interessiert war, obwohl Gutachter einer Privatisierung des Unternehmens wegen seiner maroden Lage keine Chancen eingeräumt hatten.
Le Floch-Prigent will vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Er dürfe auf richterliche Anordnung zwar nicht nach Deutschland reisen, wolle aber in Frankreich aussagen.
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