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Die Zukunft liegt vor der Küste

Mit ehrgeizigen Plänen haben deutsche Investoren die maritime Nutzung der Windenergie ins Gespräch gebracht. Das Potenzial vor der deutschen Nord- und Ostseeküste ist riesig – doch die Planer müssen sich etwas beeilen

Norbert Giese reibt sich die Hände. Seit über einem Jahr wird der Prototyp einer 2-Megawatt-Anlage des Bremer Herstellers AN Windenergie auf dem Testfeld des Deutschen Windenergie-Instituts in Wilhelmshaven getestet. „Die Anlage läuft bestens, wir sind mit den Ergebnissen zufrieden“, erklärt Giese, der beim Bremer Mühlenbauer für den Vertrieb der Turbinen zuständig ist. Von den Ergebnissen des Dauerbetriebs der 2-MW-Turbine sind zunehmend auch Planer und Investoren in Dänemark überzeugt. Giese ist sichtlich stolz darauf, dass die ersten zwanzig Mühlen Anfang kommenden Jahres vor Kopenhagen ins kühle Nass der Ostsee gesetzt werden. „Wir haben damit unsere erste Ausschreibung für einen vierzig Megawatt-Offshore-Windpark gewonnen“, sagt Giese.

Ähnlich ist die Stimmung bei Tacke Windenergie in Salzbergen. Noch in diesem Frühjahr wollen die Mühlenbauer aus dem Emsland ebenfalls mehrere 2-MW-Anlage vom Typ TW 2.0 Offshore ins schwedische Utgrunden liefern und installieren. Tacke-Manager Finn Hansen hat aber auch einen Blick auf Dänemark und Holland geworfen.

In Dänemark sind die Offshore-Pläne am weitesten fortgeschritten und wer als Hersteller vorn mitmischen will, der muss vor Ort Flagge zeigen. Deswegen hat Tacke im dänischen Aalborg ein Verbindungsbüro eröffnet. „Ohne direkte Kontakte läuft in diesem Geschäft überhaupt nichts“, weiß Hansen. Tacke hofft, mit der TW 2.0 bei den Ausschreibungen für die Offshore-Windparks in Horns Rev und Læsø-Süd die Konkurrenz links überholen zu können. Gleichzeitig laufen Verhandlungen mit der holländischen Siemens-Dependance über die Realisierung eines 100-MW-Offshoreparks.

Doch während die meisten ehrgeizigen Windfarmprojekte in der deutschen Nord- oder Ostsee immer wieder in der Versenkung abtauchen, preschen nun die Briten als erste Nordseeanrainer vor. Spätestens im Sommer können Touristen die ersten beiden 2-Megawatt-Anlagen an der Ostküste Großbritanniens bestaunen. Einen Kilometer vor der Küste von Blyth in der Region Northcumberland errichtet das Konsortium „Blyth Offshore Wind Limited“ den ersten „Mini-Park“. Die beiden Turbinen vom Typ Vestas V-66 werden in acht Meter tiefem Wasser eingepflanzt. Spätestens im August sollen die beiden Mühlen erstmals Ökostrom für rund 3.000 Haushalte liefern. Hinter diesem Projekt stehen zwei große Unternehmen, zum einen der holländische Stromversorger Nuon und die Shell Renewables. Vorteil für die Projektführer, sie erhalten aus den Fördertöpfen der Europäischen Union insgesamt vier Millionen Mark an Zuschüssen aus dem Thermie-Programm. „Man muss eben wissen, wie man an Zuschüsse aus Brüssel kommt“, meint ein Planer, der ebenfalls seit einigen Jahren versucht in deutschen Küstengewässern Propeller zu installieren.

Mit den Plänen der großen Investoren will in Deutschland vor allem winkra-Geschäftsführer Uwe Thomas Carstensen mithalten. Rund 17 Kilometer nordöstlich von Helgoland plant Winkra einen Offshore-Windpark mit bis zu 200 Mühlen. Ein Mammutprojekt, für das rund 2 Milliarden Mark aufgebracht werden müssen. Baubeginn soll irgendwann im Frühjahr 2005 sein. Insgesamt gibt es derzeit vier Betreiber, die bei der Kieler Landesregierung einen Antrag auf Errichtung eines Offshore-Windparks gestellt haben. Während die großen dänischen Projekte im Sommer in die offizielle Ausschreibungsphase kommen, zündet der deutsche Offshore-Motor bei allem Enthusiasmus noch nicht so richtig.

Planer wie Carstensen schlagen eben mal wieder ein neue Kapitel deutscher Windkraftgeschichte auf. Und damit werden auch wieder bürokratische Mühlen aktiv, doch die müssen berücksichtigt werden. „Unzählige Unterlagen müssen wir noch zusammenstellen, um überhaupt das Raumordnungsverfahren einleiten zu können“, meint der winkra-Geschäftsführer.

Weil aber ein Offshore-Windpark mit drei, vier oder fünf Anlagen wirtschaftlich keinen Sinn macht, steht auch die Verwaltungsbürokratie in Schleswig-Holstein unter Druck. Sämtliche Ministerien wie Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs- und Landwirtschaftsministerium und auch die Bundeswehr und dazu etliche Bundesbehörden müssen ihre Bedenken, Zweifel und Anmerkungen in das Genehmigungsverfahren mit einbringen. „Das kann alles länger dauern als geplant“, meint Carstensen. Nur der lässt sich nicht beirren. Anfang Februar hat er eine Offshore-GmbH mit Sitz in Helgoland gegründet.

Allzu viel Zeit dürfen die Planer in der winkra-Crew nicht mehr verstreichen lassen. Im Erneuerbaren-Energie-Gesetz nämlich ist fest geregelt, dass die Vergütung für Stromeinspeisung neun Jahre gezahlt wird, wenn die Mühlen bis zum 31. Dezember 2006 installiert worden sind. Sollten die Windmüller ihre ersten seegestützten Propeller jedoch tatsächlich im Jahr 2005 zum Laufen bringen, dann würden sie neun Jahre lang immerhin eine Vergütung von 16,8 Pfennig pro Kilowattstunde kassieren. Danach reduziert sich die Vergütung für neun weitere Jahre auf 11,4 Pfennig pro Kilowattstunde. „Egal, was an bürokratischen Hindernissen auftaucht, wir werden unseren Fahrplan einhalten und im Frühjahr 2005 die ersten Windräder offshore aufbauen“, ist sich Carstensen sicher.

MICHAEL FRANKEN

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