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Geschenk vom Revolutionsführer

Wende im Prozess um den „La Belle“-Anschlag: Angeklagter nennt Libyen als Drahtzieher – die Bombe sei Rache an Amerika gewesen

von WOLFGANG GAST

Der 5. April 1986 war ein Freitag. Die überwiegend von farbigen US-Soldaten besuchte Tanzbar „La Belle“ im Stadtbezirk Schöneberg war wie so häufig proppenvoll, als gegen 1.30 Uhr am Rand der Tanzfläche ein Sprengsatz detonierte. Die beiden in Berlin stationierten GIs Terrance Ford (21) und James Goins (25) kamen bei der Explosion ums Leben; in den Trümmern starb auch die 28jährige Nermin Haney. Mehr als 200 der Gäste wurden zum Teil schwer verletzt.

Das Attentat war, folgt man der Aussage Ali Chanaas (41), der im palästinensischen Flüchtlingslager Ain al-Helweh in der Nähe von Beirut aufwuchs, ein Vergeltungsschlag: Es war Muammar al-Gaddafis Rache für die Versenkung libyscher Schiffe durch US-Kampfflugzeuge im Streit um die Ausdehnung der libyschen Hoheitszone in der großen Syrte.

Zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn und 14 Jahre nach dem Attentat gestand Chanaa am Donnerstag vor der 39. Strafkammer des Berliner Landgerichtes überraschend, dass die Bombe für den Anschlag in seiner Gegenwart von zwei seiner Mitangeklagten zusammengebaut wurde: vom staatenlosen Palästinenser Yasser Chraidi, der den Sprengstoff besorgt habe, und vom in Ostberlin akkreditierten libyschen Botschaftsmitarbeiter Musbah Abulgasem Eter, der den Zeitzünder beigesteuert haben soll. Der heute 43jährige Eter, der in einem mittlerweile widerrufenen Geständnis auch schon einmal den libyschen Geheimdienst als Auftraggeber des Anschlags bezeichnete, soll beim Zusammenbau des Sprengsatzes pathetisch erklärt haben: „Dies ist die Antwort für die Amerikaner, ein Geschenk von Gaddafi an Reagan.“ Die beiden mitangeklagten Frauen, Verena Chanaa und Andrea Häußler, sollen dann die Bombe in die Diskothek gebracht haben. Allerdings soll nur Ali Chanaas damalige Ehefrau Verena vom geplanten Attentat gewusst haben. Sie habe auch den Zeitzünder aktiviert.

Wie ein dunkler Schatten lastet die Frage nach der Rolle der diversen Geheimdienste auf dem Gerichtsverfahren. Ob Chraidi, Eter oder Chanaa – alle hatten sie Kontakte zu diversen verfeindeten Diensten in Ost und West. Stasi-Akten legen nahe, dass die Amerikaner über die Anschlagspläne im Detail informiert gewesen sein könnten. Jetzt sagt Chanaa darüber hinausgehend aus, dass die Stasi das Attentat hätte verhinden können.

Ali Chanaa war im Ostteil der Mauerstadt vom Staatssicherheitsdienst als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen „Alba“ angeworben worden. In seiner zweieinhalbstündigen Aussage behauptete der 41jährige, er habe die Stasi etwa drei Stunden vor dem Attentat über den Bombenplan unterrichtet. Zeit genug wäre also gewesen, den Westbehörden anonym einen Tipp zukommen zu lassen. Diese Aussage wird sich allerdings nur schwer erhärten lassen. Zum einen bricht die Berichterstattung des IM „Alba“ ausweislich der überlieferten Stasiakten wenige Tage vor dem Anschlag abrupt ab. Zum anderen will Chanaa nicht seinen Führungsoffzier, sondern den Geheimdienst über eine „Notfallnummer“ verständigt haben – Gesprächspartner unbekannt.

Die Rechtsanwälte der Nebenkläger sprechen nach Chanaas Geständnis von einer Wende in dem seit November 1997 laufenden Prozess. Wiederholt haben sie bereits beim Auswärtigen Amt um Unterstützung nachgesucht. Libyen solle, wie in einem vergleichbaren Fall in Frankreich, finanziellen Ausgleich für die Angehörigen der Opfer leisten. Mit Chanaas Aussage dürften die Aussichten auf eine solche Entschädigung steigen.

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