: „Juristen sollten Konflikte verstehen“
... wünscht sich Jens Neubert vom kritischen Juristennachwuchs. Bloß fördert das die Jurareform nicht
taz: Das Referendariat im Anschluss an das Jurastudium soll wegreformiert werden. Warum lehnt ihr kritischen JuristInnen das ab? Es ist doch eine alte linke Forderung, die Theorie des Studiums mit der Praxis des Referendariats zu verknüpfen.
Jens Neubert: Weil juristische Theorie und Praxis bei den aktuellen Plänen gerade nicht miteinander verzahnt, sondern nur aneinander gehängt werden. Das ist eigentlich gar keine Reform, sondern ein Täuschungsmanöver. Die Neuordnung der juristischen Ausbildung dient vor allem dazu, Geld zu sparen und die Zahl der Studierenden zu reduzieren.
Ihr wollt, dass die neu zu schaffenden Praxisphasen während des Studiums bezahlt werden. Bei den MedizinstudentInnen ist das auch nicht der Fall.
Dort sieht man, wohin das führt: Da es in den Praxisphasen kaum möglich ist, nebenher zu jobben, findet hier knallharte soziale Selektion statt. Die geplante Reduzierung der Studienplätze geht in die gleiche Richtung.
Weniger Studienplätze bedeuten doch auch eine bessere Betreuungsrelation. Liegt das nicht im Interesse der Studierenden?
Durchaus. Aber es gibt ja zwei Wege, dieses Ziel zu erreichen. Entweder man reduziert die Zahl der Studierenden, was wir ablehnen, oder man erhöht die Zahl der Lehrenden – das wäre richtig ...
... aber auch teuer.
Bei einer Abschaffung des Referendariats wird viel Geld gespart. Würden diese Mittel nicht nur in Professorenstellen investiert, sondern auch in den wissenschaftlichen Mittelbau, dann wäre ein besseres Betreuungsverhältnis auch ohne den Abbau von Studienplätzen möglich.
Gibt es nicht jetzt schon deutlich zu viele JuristInnen?
Das bestreiten wir. Breit ausgebildete JuristInnen sind vielfältig einsetzbar. Juristische Fragen spielen zudem in immer mehr Lebensbereichen eine Rolle.
Über die JuristIn der Zukunft wird gar nicht mehr diskutiert.
Das zeigt, dass es um eine reine Spardiskussion geht. Wir dagegen wollen eine Ausbildungsreform, die JuristInnen befähigt, die sozialen Konflikte zu verstehen, mit denen sie zu tun haben.
Und jetzt macht ihr mit Bayern Front gegen die Reform. Stützt ihr da nicht die falsche Seite?
Bayern will alles beim Alten lassen, wir sind wir für eine grundlegende Reform des Studiums. Aber wenn die Bayern punktuell in die richtige Richtung zielen, ist das trotzdem sehr hilfreich.
Interview: CHRISTIAN RATH
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