: Auch schwule Bäcker backen Brötchen
Schwul-Lesbischer Wirtschaftsverband will nicht nur Lobbyarbeit machen ■ Von Peter Ahrens
„Weiß ich denn, wie lange Sie es noch machen?“ Das fragt der Bänker sein Gegenüber, den Existenzgründer, der um einen Kredit für sein aufzubauendes Unternehmen nachsucht. Der junge Unternehmer ist schwul, und da denkt der Bänker sofort an AIDS – der Kredit wird verweigert. Das ist nicht typisch, aber es ist vorgekommen. Solche Vorurteile aus der Welt zu schaffen – auch dazu haben sich schwule und lesbische UnternehmerInnen in Hamburg aufgemacht und einen eigenen Wirtschaftsverband SLW gegründet.
In dem schwulenpolitischen Magazin Hinnerk füllen die Inserate schwulesbischer Unternehmen mittlerweile Seiten: Von Ärzten über Floristen und Architekten bis hin zu Bäckern und Werbeagenturen. „Das Potenzial ist wirklich enorm“, ist der Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes, Roland Rotermund, ganz sicher. Neben dem Rechtsanwalt sitzen im Vorstand eine Spediteurin, ein Finanzberater, ein Hotelier und ein Werbefachmann. Damit ist die Linie des Verbandes festgelegt: Es geht nicht nur darum, Firmen zu vertreten, die Schwulsein als ökonomische Kategorie vermarkten, sondern alle jene Unternehmen, die von schwulesbischen Menschen geführt werden oder „irgendwie einen Bezug dazu haben“, wie Rotermund sagt.
Auch bei Schwulen und Lesben dreht es sich in der Wirtschaft um Profit, so bezeichnet Rotermund auch eines der Motive, den Verband zu gründen, damit, „sich wirtschaftlich untereinander zu stärken“. Vermittlung von KundInnen, Kontaktpflege, Lobbyarbeit: rein selbstlos ist das Ganze nicht.
Aber trotzdem geht es um mehr als um das eigennützige Klinkenputzen. Der Verband hat sich vorgenommen, AIDS- und andere Sozialprojekte zu unterstützen. Und der Verband will politisch agieren. Will mit dem Argument „einer relativ starken Gruppe mit einem gewissen Umsatz in der Stadt“ sich in die Waagschale werfen, „wenn zum Beispiel aus dem politischen Raum der Ruf nach Verbot des Christopher-Street-Days laut würde“.
Aufklärung betreiben, das Thema publik machen, da ist aus Verbandssicht noch viel zu tun. Denn gerade Kreditinstitute tun sich bei der Gewährung von Finanzhilfen noch gewaltig schwer. „Wenn jemand ein schwules Hotel eröffnen will, dann fallen bei denen die Klappen.“ Der Internet-Anbieter Eurogay hatte zu Beginn enorme Probleme, wohlgesonnene Vermieter von Büroräumen zu finden. Erst als die Wirtschaftsförderung eingriff, klappte die Ansiedlung.
Dank der Arbeit des Verbandes sollen Fälle wie das Gezänk um das Hotel Königshof in St. Georg künftig die Ausnahme bleiben. Gegen das Hotel, das sich vorwiegend an Homosexuelle wendet, hatten AnwohnerInnen mit Unterstützung der Wirtschaftsbehörde eingewendet, es beeinträchtige das Stadtviertel. Damals war das Wort vom „überschwulten Stadtteil St. Georg“ auch auf den Fluren der Behörde aufgetaucht.
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