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Lernen statt Gefühl

Ist es eine Diskriminierung, wenn Frauen von bestimmten Aufgaben befreit werden? Nicht unbedingt. In orthodoxen jüdischen Gemeinden brauchen Frauen Gebote nicht einzuhalten, die zeitgebunden sind. Jüdische Männer müssen dreimal am Tag ihre Gebete sprechen und in der Lage sein, am Schabbat aktiv am dreistündigen Gottesdienst teilzunehmen. Jüdische Frauen nicht.

Das bedeutete über Jahrhunderte, dass sie auch das dazu nötige Fachwissen nicht haben mussten. Zu Zeiten, als jüdische Frauen in erster Linie „Priesterinnen des Hauses“ waren, eine koschere Küche führten und die Kinder jüdisch erzogen, war es sicher eine große Hilfe, dass sie nicht auch noch für den Gottesdienst verantwortlich waren. Aber vor etwa hundert Jahren wünschten sich gerade in Deutschland viele jüdische Frauen mehr Gleichberechtigung im religiösen Bereich.

Dreißigerjahre erhielt Regina Jonas in Berlin als erste Frau der Welt den Rabbinertitel. In ihrer Abschlussarbeit „Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?“ kam sie zu dem Ergebnis, dass „außer Vorurteil fast nichts dem Bekleiden des rabbinischen Amtes seitens der Frau“ entgegenstehe. 1944 wurde die 42-jährige Regina Jonas in Auschwitz ermordet.

Fast dreißig Jahre dauerte es, bis in New York erneut eine Frau den Rabbinertitel erhielt. Und weitere zwanzig, bis auch in Deutschland eine in den USA ausgebildete Schweizerin dieses Amt ausüben konnte. Seit fünf Jahren nun leitet Rabbiner Bea Wyler die drei kleinen Gemeinden Oldenburg, Braunschweig und Delmenhorst. Auch sie betont: Wenn jüdische Frauen gleichberechtigt am Gottesdienst teilnehmen wollen, müssen sie dafür etwas tun. Mit Gefühlen kommen sie nicht weiter, sondern ausschließlich mit intensivem, lebenslangem Lernen.

BOIKE JACOBS

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