Ruhiger Mai, braun gefärbt

Über 1.000 Neonazis und ein großes Fest gegen Rechtsextreme in Hellersdorf. 5.000 Feiernde auf dem Mariannenplatz. Bis zum Abend ein friedlicher „Revolutionärer 1. Mai“ in Kreuzberg

Mit einer Kundgebung von etwa 1.200 Teilnehmern hat die rechtsextreme NPD gestern dem 1. Mai in Berlin einen unangenehmen Stempel aufgedrückt. Geschützt von der Polizei, zogen Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet am Hellersdorfer U-Bahnhof Louis-Lewin-Straße auf. Die geplante Gegendemonstration der Antifaschistischen Aktion Berlin war bis zum Schluss verboten geblieben, auf dem Alice-Salomon-Platz jedoch feierten viele hundert AntirassistInnen ein Fest gegen rechts. Der Hellersdorfer Bürgermeister Uwe Klett (PDS) rechnete bis zum Abend sogar mit bis zu 10.000 Feiernden.

Trotz des erlassenen und vom Gericht bestätigten Demonstrationsverbots protestierten etwa 150 AntifaschistInnen am Kundgebungsort der Rechtsextremen; es kam dort zu kleineren Rangeleien mit der Polizei. Im weiteren Umfeld des Versammlungsorts bewegten sich mehrere hundert Linke, von denen etwa 60 von der Polizei eingekesselt wurden. Insgesamt wurden in Hellersdorf gestern rund 200 Personen festgenommen, der größte Teil wegen Störens einer erlaubten Versammlung. Straftaten hat es offenbar nicht gegeben, Linke wurden vorbeugend festgenommen. Rechte wurden nach Angaben der Polizei nur wenige festgenommen, offenbar jedoch hielt die Polizei 350 aus Hamburg angereiste Neonazi ebenfalls in einem Kessel fest.

Bis zum frühen Abend war der 1. Mai im sonstigen Stadtgebiet friedlich geblieben. Eine Demonstration der maoistischen RIM mit rund hundert TeilnehmerInnen verlief ganz im Sinne des von der Polizei ausgegebenen Deeskalationskonzepts ruhig. Die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ startete um 18 Uhr am Oranienplatz mit mehreren tausend TeilnehmerInnen friedlich. Auf dem Mariannenplatz feierten etwa 5.000 das traditionelle 1.-Mai-Fest. Für den späten Abend erwartete die Polizei Auseinandersetzungen.

Auf einem nur mittelmäßig besuchten Fest in der Bergmannstraße trug die Polizei gestern in Kreuzberg zur Deeskaltion bei. Beamte der Wasserschutzpolizei und der Reiterstaffel spazierten in Zweierformationen über die Meile und parlierten mit den Bürgern. Das Sportfest war Teil des polizeilichen Konzepts AHA, mit dem erlebnishungrige jugendliche Mitläufer von Randale abgehalten werden sollten. Dass es sich bei den Jugendlichen und Kindern, die sich gestern in der Bergmannstraße beim Streetball, Bunge-Jumping und Kistenklettern vergnügten, wirklich um die gemeinte Zielgruppe handelte, darf bezweifelt werden. Spaß hatten sie allemal. „Wir hätten sonst woanders Streetball gespielt“, versicherte ein 18-jähriger Jugendlicher mit Nachdruck, dass er und seine Freunde schon lange nicht mehr zur Mai-Randale gingen. „Das ist doch langweilig geworden. Die Bullen, die da immer noch hinmüssen, tun mir schon fast Leid.“

Am Tag der Arbeit demonstrierten auch die Arbeitnehmer. Rund zehntausend Menschen versammelten sich unter dem DGB-Motto „Jetzt aufbrechen: Für mehr Beschäftigung“ vor dem Roten Rathaus. In mehreren Demonstrationszügen waren sie zum Alexanderplatz gezogen. Erstmals hatte der DGB auch eine Roller-Blade-Rundfahrt organisiert, an der sich allerdings nur mehrere hundert Jugendliche beteiligten. Pünktlich um zehn Uhr hatte sich die künftige Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am Kreuzberger Engeldamm auf den Weg gemacht, angeführt von einer Schalmeienformation. Aus dem Lautsprecherwagen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft dröhnte Crossover, der der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) lieferte traditionelles Liedgut wie „Avanti, popolo“ und „Voran an Geschütze und Gewehre“.

Auf dem Alex dann das traditionelle Bild: Bier, Bratwurst, bunte Transparente. „Hände weg von Arbeitszeit und Lohn, die Arbeitshetze reicht uns schon“, „Suche Informatik-Lehrer“ oder „Recht auf Arbeit – Pflicht zum Widerstand“ stand unter anderem darauf. Während die Demonstranten artig die Forderungen der HBV-Vorsitzenden Margret Mönig-Raane nach Umverteilung von Arbeit und Einkommen beklaschten, kam kurz Stimmung auf, als die Rednerin den Neonazi-Aufmarsch in Hellersdorf ansprach. Buhrufe schallten über den Platz, und die Forderung nach dem Verbot solcher Veranstaltungen wurde kräftig beklatscht. plu/rot/dhe/sand
wera/babs/wahn

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