: Obdachlose gehen der PDS auf den Leim
Und das alles nur, weil die Führungsköpfe der Partei ihren Rückzug angekündigt haben
Nicht nur Parteichef Bisky und Fraktionschef Gysi wenden sich von der PDS ab. Auch andere sozial Benachteiligte, die sich bisher der Unterstützung der Partei sicher waren, gehen nun auf Distanz.
Was ist passiert? Vergangenen Freitag brachte ein Verkäufer der Obdachlosenzeitung strassenzeitung am Karl-Liebknecht-Haus ein Plakat für den 1. Mai an. Weil das Maifest in der Vergangenheit vor der Volksbühne – also in unmittelbarer Nähe zum PDS-Sitz - stattfand und nun nach Prenzlauer Berg verlegt wurde, sollte möglichst nah am alten Ort geworben werden. Doch nach wenigen Minuten wurde das Plakat durch einen Mitarbeiter von der denkmalgeschützten Fassade entfernt, und – noch viel schlimmer – auch der Eimer mit dem Kleister verschwand.
So sind sie die Kommunisten, dachten sich die Obdachlosen. Gewohnt waren sie Unterstützung in Form von einem geliehenen Lautsprecher zur Besetzung des Kempinski oder die Schaltung von PDS-Anzeigen in ihrem Blatt. Ausdruck fand das Entsetzen des Vereins „Obdachlose machen mobil“ in einer harschen Pressemitteilung: „Kaum, dass Bisky und Gysi ihren Rückzug erklärt haben, weht auch schon ein anderer Wind im Liebknecht-Haus“, heißt es da. „Zu spüren bekamen das zuerst die Ausgegrenzten, Stigmatisierten, Marginalisierten und an den Rand der Gesellschaft Gedrängten.“ Der Verein sieht in diesem „skandalösen Vorfall“ nicht nur einen zu ahndenden Diebstahl, sondern auch einen Indikator für die Politikunfähigkeit der PDS. „Sie ist keine Partei der Schnorrer.“ Die Landesvorsitzende Petra Pau wurde aufgefordert, Schadenersatz in Höhe von 4,95 Mark zu leisten bzw. einen neuen Eimer Kleister zu besorgen.
Der Hinweis des Vereinsvorsitzenden Stefan Schneider auf den „großen Spaßfaktor des Eklats“ kommt zu spät. Der Aktionismus der PDS in Notlagen kennt keine Grenzen. Pressesprecher Alexander Hildebrandt wies zwar einen Zusammenhang mit dem Rückzug von Gysi und Bisky entschieden zurück. Zudem verwies er darauf, dass noch unklar sei, wer das Plakat entfernt hat. „Oder waren es Gysi und Bisky?“, hegte er einen ganz schlimmen Verdacht. Aber ganz sicher werde Pau „in nächster Zeit“ einen Eimer Kleber vorbeibringen. Dann müssen die Obdachlosen mit dem Stigma leben, der PDS auf den Leim gegangen zu sein.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen