Möllemann verfehlt die absolute Mehrheit

Senkrechtstarter FDP erreicht fast 10 Prozent der Stimmen bei den Landtagswahlen in NRW. SPD verliert ebenso wie die Grünen. Clement kann sich Koalitionspartner aussuchen

BERLIN taz ■ Jürgen W. Möllemann hat es geschafft: Der FDP-Spitzenkandidat konnte bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen das Ergebnis seiner Liberalen mehr als verdoppeln. Von tragischen 4 Prozent der Stimmen hüpfte die FDP auf etwa 9,5 Prozent. „Ein stolzer Tag für die Liberalen in Nordrhein-Westfalen“ jubilierte Möllemann. Die FDP hat ihr Ziel, die Grünen zu überholen, erreicht. Damit bieten sich die Liberalen als neuer Koalitionspartner für die SPD an.

Die SPD musste deutliche Verluste hinnehmen und kam nur noch auf etwa 43 (vorher 46) Prozent – ihr schlechtestes Ergebnis in NRW seit 1962. Und auch der kleine Koalitionspartner, die Grünen, musste deutlich Federn lassen. Spitzenkandidatin Höhn konnte nur noch etwa 7 statt bisher 10 Prozent einfahren.

Die CDU unter Jürgen Rüttgers („Kinder statt Inder“) bleibt in NRW so schwach wie schon bisher. Sie erreichte mit etwa 37 Prozent ein ähnliches Ergebnis wie 1995. Die Christdemokraten sind an Rhein und Ruhr jetzt seit 34 Jahren in der Opposition. An ihm ode an seiner „Inder“-Kampagne habe die Niederlage gewiss nicht gelegen, sagte der künftige CDU-Fraktionschef Rüttgers. Er machte die CDU-Spendenaffäre für das Ergebnis verantwortlich.

Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) kann sich jetzt aussuchen, mit wem er eine Koalition eingeht. Rechnerisch ist ein Bündnis sowohl mit den Grünen als auch mit der FDP möglich. Clement sagte am Abend, er werde zunächst mit den Grünen verhandeln, dies sei schon eine Frage der Loyalität. Allerdings schloss der Ministerpräsident ein Bündnis mit der FDP nicht prinzipiell aus. Generalsekretär und SPD-NRW-Landeschef Müntefering machte aber keinen Hehl daraus, die Koalition mit den Grünen fortsetzen zu wollen.

„Es wird keine Grünen in der Landesregierung mehr geben“, prognostizierte gestern der Altliberale Burkhard Hirsch: „Entweder sie fliegen aus der Regierung raus, oder sie werden keine Grünen mehr sein.“ Wahlsieger Möllemann sagte, die Bevölkerung würde es nicht verstehen, wenn SPD und Grüne „eine Koalition der Verlierer“ bilden würden.

Der grüne Bauminister Michael Vesper erklärte optimistisch, man werde „zügig Koalitionsverhandlungen“ mit der SPD führen. Es gehe jetzt auch darum, wie die Grünen eine größere Ausstrahlungskraft erhalten können. Der Berliner Fraktionschef Rezzo Schlauch wurde deutlicher: „Rot-Grün kann sich den selbstgefälligen Trotz des ‚Weiter so!` nicht mehr leisten.“ Die Grünen haben bei allen Wahlen seit 1998 Niederlagen einstecken müssen.

Die PDS erreichte 1,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung war noch schwächer als vor fünf Jahren und lag bei etwa 57 Prozent. KLH

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