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Ein Witz für Kids

Stadtkinder haben nicht viel zu lachen: Die „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundlichere Stadt“ werden nicht umgesetzt – weil sie unverbindlich formuliert sind und das Geld fehlt

von JULIA NAUMANN

Unpräzise, uneffektiv, folgenlos. Die Kritik ist vernichtend und kommt von allen Seiten. Vor einem Jahr wurden die „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundlichere Stadt“ verabschiedet. Jetzt – nach der Halbzeit – ist die Bilanz wenig erfreulich. „Es ist in den Bezirken kaum etwas passiert“, konstatiert Andreas Gladisch, Leiter der Jugend- und Familienförderung in Spandau. In den anderen Bezirken sieht es ähnlich schlecht aus.

Die Jugendverwaltung hatte vor einem Jahr skizziert, wie eine kinderfreundliche Hauptstadt aussehen könnte: weniger Autos, mehr Grünflächen, aber auch mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche und eine familienfreundliche Wohnumfeldgestaltung. Innerhalb von zwei Jahren sollten sämtliche Senatsverwaltungen, vor allem aber die Bezirke, die ingesamt 18 Leitlinien „berücksichtigen und umsetzen“, hieß es in dem Beschluss des Abgeordnetenhauses. Eine Verpflichtung besteht jedoch nicht.

Die Leitlinien seien „handwerklich sehr schlecht gemacht“, es gebe kein Projektmanagement, kritisiert Gladisch. In den Verwaltungen würden keine Ansprechpartner benannt, außerdem seien die Vorhaben zu komplex. So soll zum Beispiel der öffentliche Raum so gestaltet werden, dass Kinder und Jugendliche eine „gleichberechtigte Nutzergruppe“ werden. Was das genau bedeutet, ist aber nur dürftig beschrieben.

Ein weiterer Knackpunkt sind die fehlenden Finanzmittel. Die Leitlinien sollen nämlich kostenneutral umgesetzt werden. Doch völlig ohne finanzielle Mittel geht es nicht, sagt der Jugendhilfeplaner. So heißt es in einer der Leitlinien, dass es eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung der kindlichen Bedürfnisse geben solle. „Das kostet einfach Geld“, weiß Gladisch.

Auch Elfi Jantzen, sozialpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, ist enttäuscht. Ihre Fraktion hatte Mitte der 90er-Jahre erstmals einen Antrag zu kinder- und jugendfreundlichen Leitlinien gestellt, der aber wesentlich schärfer formuliert war. „Die jetzigen Leitlinien sind so unverbindlich, dass sie niemand beachtet“, kritisiert Jantzen. Sie habe bisher keinerlei Rückmeldungen aus den Bezirken bekommen.

Selbst in der Jugendverwaltung gibt man eine „schleppende Umsetzung“ zu. In den Bezirksverordnetenversammlungen seien die Leitlinien kaum diskutiert worden, sagt Günter Poggel, der die Leitlinien mit ausgearbeitet hat. Der Ansatz aber sei positiv. Er hofft, dass in den Verwaltungen langsam ein neues Denken und Handeln einsetze. Das könnten auch kleine „Highlights“ sein, zum Beispiel ein abgesenkter Bordstein. „Der muss nicht unbedingt mehr kosten“, sagt Poggel.

Aufgrund der Kritik will die Jugendverwaltung die Leitlinien in den nächsten Monaten „offensiver propagieren“. Eine Idee: Spezielle Kinderbüros könnten in den Bezirken als Ansprechpartner eingerichtet werden.

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