: Streitbare Ministerin will bleiben
Koalitionsverhandlungen: Was wird aus der grünen NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn?
DÜSSELDORF taz ■ Die Anspannung ist ihr anzusehen. Ihr Lächeln wirkt gequält. Bärbel Höhn muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Lässt Ministerpräsident Wolfgang Clement an ihrer Person Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen platzen? Dabei geht es bei den Verhandlungen zwischen SPD und Grünen offiziell noch gar nicht um Personalien.
Bis Sonntag, so der Zeitplan, wird um Sachthemen gerungen. Heute stehen die zwei Bereiche mit dem größten Konfliktpotenzial auf der Tagesordnung: Verkehr und Umwelt. Doch die öffentliche Debatte kreist nur um eine Frage: Was wird aus Bärbel Höhn?
Der Druck, der auf der grünen Umweltministerin lastet, ist riesengroß. An ihr entscheidet sich die Zukunft der rot-grünen Koalition in Düsseldorf. „Der Fall Bärbel Höhn“, schlagzeilte bereits die Welt. Höhn habe in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder blockiert und sei maßgeblich verantwortlich für das „Streitimage“ der Regierung, wirft ihr Clement vor.
Dass sie in den vergangenen fünf Jahren immer wieder die Planungshoheit ihres Ministeriums zugunsten des Umweltschutzes genutzt hat, nimmt Clement ihr übel. Denn bislang ging kein großes Infrastrukturprojekt am Höhn-Ministerium vorbei.
Der Braunkohletagebau Garzweiler II, die Erweiterung der Flughäfen, der Ausbau der Autobahnen oder die Wünsche der Wirtschaft zu Ansiedlungen auf der „grünen Wiese“ – überall hatte die grüne Ministerin ein gewichtiges Wort mitzureden. Ihr wirksames Instrumentarium: das Wasserrecht und auch die Europäische Umweltrichtlinie Flora Fauna Habitat.
Eine Umweltministerin, die tatsächlich das macht, wofür ihr Ministerium eigentlich eingerichtet worden ist – das ist ein Gräuel für Clement. Eine Fortsetzung von Rot-Grün könne es nur geben, wenn sich die Widerspenstige endlich zähmen und ihr Ministerium zu dem zurechtstutzen ließe, was es andernorts auch ist: ein Alibiressort fürs schlechte Gewissen, aber ohne Einfluss. Das Beste aus Sicht des Ministerpräsidenten wäre, die grüne Frontfrau würde ganz aus seinem Blickfeld verschwinden.
Mit seinem Koalitionspoker hat es Clement dabei geschickt verstanden, eine Diskussion innerhalb der SPD über die verheerende Wahlschlappe vom 14. Mai zu vermeiden. Denn immerhin fuhr der forsche Sozialdemokrat das schlechteste Ergebnis für seine Partei seit 1962 ein. Ein Siegertyp sieht anders aus.
Bärbel Höhn reagiert zunehmend gereizt auf die auf sie abgeschossenen Giftpfeile aus der Staatskanzlei. Ihr Ressort sei „das Herzstück der Grünen“, davon könnten die Grünen nicht abrücken, betont sie. Aber wenn Clement lieber mit der FDP reden wolle, würden ihm die Grünen nicht hinterherlaufen, so Höhn. Ihre Partei weiß sie dabei hinter sich.
So schreiben die beiden grünen Landessprecher Reiner Priggen und Barbara Steffens in einem Brief an die Kreis- und Ortsverbände der Partei, es sei „klar“, dass Höhn ihre „exzellente Arbeit in der Landesregierung“ im Falle einer Neuauflage von Rot-Grün fortsetzen werde.
PASCAL BEUCKER
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