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Europa gegen USA

Auf der Frühjahrstagung der Nato in Brüssel stehen die US-Pläne über ein neues Raketenabwehrsystem im Mittelpunkt. Russland ist dagegen

FLORENZ rtr/dpa ■ Die Pläne der USA für die Erstellung eines Schutzschirms gegen Raketenangriffe drohen zur Belastung für die transatlantischen Beziehungen in der Nato zu werden. Außenminister Joschka Fischer forderte die USA beim Frühjahrstreffen der Nato-Außenminister gestern in Florenz auf, eine Übereinkunft über die Pläne mit Russland zu suchen und sie in eine umfassende Abrüstungsinitiative einzubinden, um ein neues Wettrüsten zu verhindern.

Fischer sagte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, in der Nato dürfe es keinen Stillstand oder gar Rückschritte geben. Er rief die US-Regierung auf, ihre Partner genau über ihr Vorhaben zu informieren.

Enge Konsultationen könnten eine mögliche Belastung des transatlantischen Verhältnisses vermeiden helfen. Die Entscheidung über die Raketenabwehr sei zwar allein Sache der USA. Sie könne aber zu erheblichen Auswirkungen außerhalb der USA führen. Dazu zählten die Bereiche Abrüstung, die Nichtverbreitung von Atomwaffen, das Verhältnis zu Russland und die transatlantische Zusammenarbeit.

Unter den europäischen Nato-Staaten gibt es Befürchtungen, dass ein landesweites Raketenabwehrsystem der USA den zentralen Vertrag über die Raketenabwehr, den Anti-Ballistic-Missile Treaty (ABM) von 1972, in Frage stellen und eine neue Aufrüstungsspirale in Gang setzen könnte.

Der Vertrag erlaubt Russland und den USA nur jeweils ein lokal eng begrenztes Abwehrsystem. Ob die Raketenabwehr wirklich gebaut werden soll, hat Clinton noch nicht entschieden. Nato-Diplomaten gehen aber davon aus, dass die USA die Pläne umsetzen werden.

Der ehemalige Nato-Generalsekretär und jetzige Außenpolitische Koordinator der EU, Javier Solana, hatte bereits erklärt, die Pläne könnten bei den Europäern das Gefühl auslösen, dass sich die USA von Europa abkoppeln wollten.

Der russische Außenminister Igor Iwanow, der am Nachmittag zum Nato-Russland-Rat in Florenz erwartet wurde, hatte bereits im April jegliche Änderungen des ABM-Vertrags ausgeschlossen. Der stellvertretende US-Außenminister Strobe Talbott hielt sich gestern in Moskau auf, wo er einen Versuch unternehmen wollte, den Widerstand Russlands gegen die amerikanischen Pläne aufzuweichen.

US-Außenministerin Madeleine Albright sagte in Florenz laut Redetext, der Aufbau des Raketenabwehrsystems würde keine Abkehr der USA von der Nato bedeuten. Zudem werde Clinton bei seiner Entscheidung auch Auswirkungen des Beschlusses auf die Beziehungen zu Russland und China sowie zu den europäischen Nato-Staaten in Betracht ziehen.

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