: ■ Poetry on the Road, siebte und letzte Folge: Bei Dao oder vom Bauarbeiter zum Lyrikstar
Vom 26. bis 28. Mai findet mit „Poetry on the Road“ zum ersten Mal das Internationale Lyrikfestival Bremen statt. Fast zwanzig VertreterInnen der zeitgenössischen Poesie werden in die Hansestadt kommen. Neben großen Namen wie Cees Nooteboom, Lars Gustafsson und Durs Grünbein finden sich viele junge und/oder hierzulande wenig bekannte DichterInnen. Wir stellen sie vor.
Als seinerzeit hierzulande ein „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ aus der Taufe gehoben wurde, hatte der 1949 in Peking geborene Bei Dao noch kein Gedicht veröffentlicht. Zur Arbeitswelt hätte er aber eine Menge zu sagen gehabt. Seine Biografie liest sich wie ein Bilderbuchlebenslauf des real existierenden chinesischen Sozialismus. Allerdings mit Brüchen. Denn keiner der hohen Herren sieht gern, wie jemand den Beweis antritt, in einer solchen Gesellschaft könne der Arbeiter auch dichten, wenn dieser jemand sich von Beginn an mit oppositionellem Gedankengut trägt, als Mitherausgeber der inoffiziellen Literaturzeitschrift „Jintian“ firmiert und sich schnell einen Namen als Regimekritiker und „Popstar der Literatur“ macht.
Bei Dao schreibt seiner alten Heimat deutliche Worte ins Geschichtsbuch: „Das Gehirn blankgeschoren / Um noch besser die Sonne zu suchen.“ Mir fällt – außer Brecht vielleicht – kein Dichter ein, dessen Texte sich zugleich als Transparentsprüche (Peking 1989) und komplexe lyrische Gebilde manifestieren. Als Panzer über den „Platz des Himmlischen Friedens“ rollten, war der Autor in Berlin. Bis heute blieb ihm die Rückkehr nach China verwehrt. „Post bellum“ heißt sein demnächst auf Deutsch erscheinender Gedichtband. Den Sarkasmus muss man Bei Dao „verzeihen“. Die neuen Gedichte sind schlicht, erzählend. Doch immer wieder stehen Worte da, die ein ganzes Panorama von Bedeutungen eröffnen. Geöffnet hat sich auch die Reflexion. So speist sich die Spannung in „Heimatklänge“ aus der Merkwürdigkeit, dem Land, daraus man vertrieben wurde, irgendwie ein Stück näher zu kommen. „Ich spreche mit dem Spiegel Chinesisch / ... / Am anderen Ende der Leitung / vernehme ich meine Angst.“ ts
Mit diesem Text endet unsere Vorschau auf das heute beginnende 1. Internationale Bremer Literaturfestival. Bis zum Sonntag können Sie die sieben von uns vorgestellten und weitere 12 LiteratInnen live erleben. Die Eröffnungsveranstaltung, bei der sechs Autoren lesen werden, findet heute abend um 20 Uhr im Theater am Goetheplatz statt (% 365 33 33). Samstag sind viele AutorInnen zu Gast in der zwischen 14 und 18 Uhr ab Domsheide im 15 Minuten-Takt verkehrenden Kultourbahn. Abends heißt es dann ab 20 Uhr „Poetry in der Kunsthalle“. Sonntag schließlich gibt es ab 11 Uhr eine Lesung im Übersee-Museum. Karten für diese beiden Museumsveranstaltungen gibt es in der Buchhandlung Geist (Am Wall 161, % 32 71 73, info§buchgeist.de). Tageskarten kosten 15 Mark (erm. 10 Mark), die Festivalkarte kostet 35 Mark (erm. 25 Mark).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen