: Nur Streit garantiert
Das Problem Rechtssicherheit blockiert die Entschädigungsverhandlungen. Grund sind verschiedene Rechtssysteme in Deutschland und den USA
BERLIN taz ■ Anlässlich der Verleihung des Karlspreises beschworen US-Präsident Bill Clinton und Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern eindringlich die europäisch-amerikanische Freundschaft. Es klang so schön. Im Lichte großer historischer Perspektiven schrumpften die Konflikte um aktuelle Fragen. Wäre da nicht ein kleiner Wermutstropfen. Seit Wochen bemühen sich die deutschen und amerikanischen Unterhändler, den letzten Streitpunkt in Sachen Zwangsarbeiter-Entschädigung aus dem Weg zu räumen: die Rechtssicherheit deutscher Unternehmen vor Sammelklagen in den USA.
Die Positionen beider Seiten hätten sich zwar angenähert, sagte Schröders Beauftragter Otto Graf Lambsdorff gestern in Berlin. Aber noch seien Einzelfragen offen. Nach dem Willen Berlins soll die US-Regierung amerikanischen Gerichten in einem statement of interest nahe legen, künftig keine Klagen mehr anzunehmen. Diese lägen, so heißt es in einem Entwurf für das geplante Regierungsabkommen, „nicht im außenpolitischen Interesse“ Washingtons. Eine Formulierung, die Deutschland als ungenügend ablehnt, da sie rechtlich nicht bindend sei.
Tatsächlich weist die US-Regierung selbst darauf hin, dass ihre Garantieerklärung kein eigenständiger Rechtsgrund ist: Richter können sich bei drohenden Prozessen nicht auf das statement berufen. Die Bundesregierung sieht die Entschädigung dagegen als Frage, die nur zwischen den beiden Staaten geklärt werden kann.
Die Probleme hängen eng zusammen mit dem unterschiedlichen Rechtsverständnis beider Länder. Während das US-System auf der Auslegung von Präzedenzfällen beruht, halten sich deutsche Richter streng an Gesetzestexte. Außerdem gibt es für das statement kein historisches Vorbild. Es ist also nicht absehbar, wie verbindlich die Rechtssicherheit wirklich ist.
Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, äußerte gegenüber der taz Kritik an der US-Regierung. Sie rate den Gerichten bislang sogar, solche Fälle anzunehmen.
Am Pfingstmontag wollen die Unterhändler ihre Verhandlungen in Washington fortsetzen. Dann müsse es eine Einigung geben, da sonst der Zeitplan für das deutsche Stiftungsgesetz in Gefahr gerate, betonte Lambsdorff. Es sei nicht haltbar, dass die ehemaligen Zwangsarbeiter weiter auf Zahlungen warten müssten.
Bund und Wirtschaft haben zehn Milliarden Mark Entschädigung zugesagt. Am Wirtschaftsfonds beteiligen sich bislang 2400 Firmen. Das Stiftungsgesetz soll Ende Juli verkündet werden, damit die ersten Auszahlungen noch in diesem Jahr erfolgen. NICOLE MASCHLER
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