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Der Motor stottert

Der deutsch-französische Gipfel in Mainz wird zur Werkstatt: Europas Motor soll wieder schnurren. Polemik zwischen Fischer und Chevènement, aber keine Fernsehdebatte

PARIS taz ■ Es soll ein Gipfeltreffen im Stil der neuen Routine werden: bescheiden, effizient und ohne theatralische Gesten. Keine gemeinsame Initiative wie früher, kein Brief an die europäischen PartnerInnen ist heute in Mainz, bei den 75. deutsch-französischen Konsultationen, geplant. Stattdessen wollen der französische Staatspräsident und der Premierminister sowie der Bundeskanzler und viele MinisterInnen gegen alle Unkenrufe beweisen: Der „deutsch-französische Motor“ Europas schnurrt. Pragmatisch werden sie an der deutsch-französischen Filmakademie basteln und den Streit über das Sorgerecht für Kinder aus binationalen Ehen thematisieren.

Paris und Berlin wollen auch bis zum Jahresende die europäischen Institutionen vertiefen, um die Osterweiterung auf 27 bis 30 EU-Mitglieder vorzubereiten. Wollen die Kommission reformieren, das Stimmrecht in der EU nach Größe der Bevölkerungen gewichten, das Mehrheitswahlrecht ausbauen und die Zusammenarbeit verstärken. Doch bedeuten die meisten dieser Reformen unterschiedliche Dinge auf beiden Seiten des Rheins.

Während Berlin beispielsweise sein demografisches Gewicht – das größte in der EU – nutzen will, ist der französische Präsident nicht willig hinzunehmen, dass daraus eine Schlechterstellung Frankreichs gegenüber Deutschland resultiert.

Umstritten ist auch, was „verstärkte Zusammenarbeit“ bedeutet. Während der deutsche Außenminister darunter eine Reform der Institutionen versteht, denken in Frankreich sowohl die rot-rosa-grüne Regierung als auch der neogaullistische Staatspräsident an den Ausbau eines sozialen und beschäftigungspolitischen Europas.

Auch bei den Visionen gibt es Unterschiede. Seit der deutsche Außenminister im Mai in einem Vortrag in der Humboldt-Universität ein „föderales Europa“ vorgeschlagen hat, ist das unübersehbar geworden. Zwar hatte Fischer sich mehrfach mit seinem französischen Kollegen Védrine getroffen. Doch waren weder die Einzelheiten noch der Ort, noch das Datum seiner Rede abgesprochen. Védrine nannte den Vortrag höflich „interessant“ und „ehrgeizig“. Doch stellte er klar, dass er „kein gemeinsames Vorgehen“ darstelle.

Weitere hochkarätige Resonanz aus Paris blieb aus. Der Premierminister schweigt immer noch. Staatspräsident Chirac reagierte, ohne Fischer beim Namen zu nennen, eisig: „Es wäre frustran, das politische Europa auf abstrakte Wiese definieren zu wollen.“ Und Europaminister Moscovici erinnerte daran, dass das Wort „föderal“ in Frankreich und Deutschland „aus historischen Gründen“ etwas ganz Unterschiedliches bedeute.

Bloß Innenminister Chevènement nahm kein Blatt vor den Mund und warnte vor einer simplen Übertragung des deutschen Modells auf Europa.

Heute in Mainz werden er und Fischer sich erstmals wieder treffen und ihre Polemik über die Nation, die Föderation und Europa fortsetzen. Die Fernsehdebatte, die er selbst angeregt und der der Franzose zugestimmt hatte, sagte Joschka Fischer allerdings ab – aus Termingründen, wie es in Paris hieß.

DOROTHEA HAHN

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