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Traurige Schulhofpiraten

Privatkopieren ist erlaubt und bald unmöglich: Die Industrie will sich mit Kopierschutz auf CDs vor hohen Verlusten schützen  ■ Von Savina Koch

Die große Abzocke auf den Schulhöfen soll es bald nicht mehr geben. Große Musikkonzerne wehren sich gegen die Klonerei von Musik-CDs am PC. Sie erfanden den Kopierschutz: Die Bertelsmann Musik-Abteilung BMG entwickelte das System „Cactus data Shield“ und hat dieses seit Anfang des Jahres bei zwei Titeln angewandt. Seit Mai sind auch drei Sony-CDs mit Kopierschutz im Handel.

Der in Hamburg ansässige Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft ist durch Einnahmeverluste alarmiert: Im vergangenen Jahr wurde über die Hälfte aller CD-Rohlinge für Musikaufnahmen verwendet. Durch entgangene Verkaufserlöse und GEMA-Gebühren machten die Musikverlage schätzungsweise rund 220 Millionen Mark Verlust. Der Umsatzrückgang wird auf fast 10 Prozent beziffert.

Nach dem Urhebergesetz darf jeder seine CDs privat und unentgeldlich so oft kopieren, wie er will. Damit darf man auch seine Freunde glücklich machen, egal, wie oft die Musik dafür überspielt werden muss. Kriminell wird es bei den „Schulhofpiraten“, die daran verdienen: Pro Stück werden die Klons der Hit-CD meist für 10 Mark aus dem Scout-Ranzen verkauft. Der Hamburger Medienanwalt Walter Scheuerl: „Das ist illegal und kann auf zivilrechtlichem Weg verfolgt werden.“

Durch die neue Technik brechen für Raubkopierer schwere Zeiten an. Der „Cactus data Shield“ von BMG erreicht, dass die CD auf dem PC-Basierten Brenner nach 30 Sekunden aufhört zu spielen. Bei der CD „Razorblade Romance“ der Gruppe HIM und dem Titel „My Private War“ von „Philip Boa & The Voodoo Club“ ist das bereits der Fall. Allerdings können auch moderne DVD und CD-Player auf den Blocker reagieren und spielen nicht mehr ab. Zwar ist vom Konzern die Umtauschmöglichkeit abgesprochen worden, der Handel aber klagt über sehr hohe Rückläufe. BMG teilt dazu mit, man werde das Verfahren „weiterhin perfektionieren“. Die zweite Auflage der HIM-CD wurde ohne Kopierschutz geliefert.

Sonys neue Musik garantiert hundertprozentige Abspielbarkeit. Eine Techno-CD (Techno Club Volume 9) wird mit Schutz geliefert, eine für Rocker (Weißglut: „Zeichen“) und ein Livealbum für Hip-Hopper (Freundeskreis Allstars „en directo“). Die CD kann in den meisten Fällen nicht vom Computer eingelesen, auf jeden Fall aber nicht geklont werden. Zumindest aber werden hier die Verbraucher schon auf dem Cover auf die technische Einschränkung aufmerksam gemacht. Und eine Kopie in erster Generation per Stereoanlage ist weiter möglich. Von 10.000 ausgelieferten CDs, weiß Thorsten Rothmann von Sony Music, sind nur 15 zurückgekommen.

Neben den Bösewichten am heimischen PC-Desk sind auch Radiostationen und Plattenläden vom Blocker betroffen. Oft kommt da die Musik von der Festplatte. Außerdem werden Tüftler sich wohl kaum vom Kopierschutz abschrecken lassen.

Zu Werbezwecken erlaubt die Industrie den Computer allerdings als Verbreitungsmedium: es werden Hits im Internet kurz angespielt, um für den Interpreten und die Tour zu werben. Das Raubladen in Chatrooms ist aber dann wieder urheberrechtlich verboten. Bei Computerspielen hat der Gesetzgeber den Urheberschutz verstärkt. Kopieren oder Runterladen, auch privat, ist verboten und damit illegal. Das Recht darauf hat ausschließlich der Schöpfer des Spiels.

Um die Verluste der Plattenindustrie zu reduzieren, wird weiter geforscht. Bald soll es ein Gerät geben, mit dem nur drei Kopien pro CD möglich sind. Aber auch die Erhöhung der Leermedienabgabe für die Industrie wird diskutiert. Der CD-Rohling soll dann um die 8 Mark statt bisher zwischen einer und fünf Mark im Verkauf kosten.

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