: Kampf gegen die Grünen?
Ja
Die Grünen haben das Bündnis mit den AtomkraftgegnerInnen aufgekündigt und sich auf die Seite der Konzerne geschlagen. Man muss sich gegen ihre Atompolitik zu Wehr setzen. Dabei kann man leicht mehr erreichen als die angeblichen Aussteiger um Trittin.
Nehmen wir mal an, die Grünen wären derzeit Oppositionspartei. Nehmen wir an, die Regierung verkünde, dass die deutschen Atomkraftwerke noch mal so viel Strom produzieren dürfen wie in ihrer bisherigen Laufzeit, dass die Regierung bis zu einem nicht absehbaren Auslauftermin in etwa drei Jahrzehnten den Betrieb der AKWs gewährleistet, dass der Streit um die Castor-Transporte langfristig durch den Neubau von unsicheren Zwischenlagerhallen an allen Reaktorstandorten umgangen werden soll, dass der Salzstock Gorleben nach einer kurzen Pause weiter zum Endlager ausgebaut wird, dass Schacht Konrad und die Pilotkonditionierungsanlage Gorleben genehmigt werden, dass die von Angela Merkel 1998 gestoppten Atommülltransporte wieder aufgenommen werden und dass die eigentlich ungesetzlichen Verschleierungen der ungelösten Entsorgungsfrage durch entsprechende Gesetzesänderung legalisiert werden.
Und nehmen wir an, das alles würde von dieser Regierung als Ende und Lösung des gesellschaftlichen Streits um die Atomkraft verkündet. Was würde die Oppositionspartei Bündnis 90/Die Grünen in völligem Einvernehmen mit der Anti-AKW-Bewegung dazu sagen?
Na? Eben!
Es tut mir ja um viele Mitglieder der Grünen, aufrechte AtomkraftgegnerInnen, wirklich leid, aber ihre Partei, vor allem der mit dem Regieren in Berlin beschäftigte Teil, hat sich in Sachen Atompolitik vollständig vergaloppiert. Nur um Regierungsfähigkeit zu beweisen, werden Wahlversprechen, Parteitagsbeschlüsse und öffentliche Ankündigungen reihenweise gebrochen.
Die Grünen stehen atompolitisch mit leeren Händen da. Ja schlimmer noch: Weil die Partei laut Schlauch und Bütikofer nur überlebt, wenn sie alle Niederlagen als Erfolg darstellt, wird nun sogar gelogen und manipuliert, dass sich die Balken biegen. Denn die 32 Jahre in der Vereinbarung mit der Atomindustrie sind schöngerechnet und entsprechen real fast 35 Kalenderjahren. Und der von Trittin stolz verkündete Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft ist gar keiner, weil nämlich im Jahre 2005 nicht die Wiederaufarbeitung, sondern nur die Transporte dorthin beendet werden sollen. Die vielen tausend Tonnen Atommüll, die in La Hague und Sellafield lagern, werden dann noch etliche Jahre für volle Auslastung der WAAs sorgen.
Derjenige Teil der Gesellschaft, der die Risiken der Atomtechnologie für nicht verantwortbar hält, hat sein parlamentarisches Sprachrohr verloren. Die Anti-Atom-Bewegung ist wieder da angekommen, wo sie vor 25 Jahren einmal begonnen hat. Als außerparlamentarische Kraft an der Basis der Gesellschaft gilt es Aufklärungsarbeit gegen atomfreundliche Regierungspropaganda zu machen und sich notfalls mit den von der Regierung geschickten Polizeiarmeen anzulegen.
Kämpfte die Bewegung in den Siebzigerjahren gegen das Atomprogramm der SPD/FDP-Regierung von Helmut Schmidt, so geht es heute gegen das rot-grüne Atomprogramm für das 21. Jahrhundert. Sie sind in der Menge des produzierten Stroms und in der Höhe des entstehenden Atommüllberges vergleichbar.
Weil den Grünen ihre Rolle als Regierungspartei wichtiger ist als die Inhalte und Ziele, für die sie angetreten sind und gewählt wurden, deshalb hat die Partei das Bündnis mit den AtomkraftgegnerInnen aufgekündigt und sich auf die Seite der Konzerne geschlagen: „Die Bundesregierung gewährleistet den ungestörten Betrieb der Anlagen“ ist der zentrale Satz im Konsenspapier.
Wer aber der Ansicht ist, dass jedes weitere Jahr Atomenergienutzung angesichts der Gefahren ein Jahr zu viel ist, der/die muss sich zukünftig, selbst wenn es manchen schwer fällt, auch gegen grüne Atompolitik zur Wehr setzen. Es ist ja nicht schwierig, dabei mehr zu erreichen als die angeblichen Aussteiger rund um Trittin. JOCHEN STAY
Autorenhinweis:Der Autor ist 34-jähriger Hausmann, Publizist und Sprecher der Anti-Atom-Kampagne „X-tausendmal quer – überall“. Er wohnt im Wendland.
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